Bildungsreform spaltet Spanien noch tiefer

Isoliert verabschieden die Konservativen ihre umstrittene Bildungsreform gegen die gesamte Opposition, Katalonien und das Baskenland verweigern die Umsetzung

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"Franco hat es nicht geschafft, unsere Sprache auszurotten und Sie werden das auch nicht schaffen", rief der katalanische Parlamentarier Joan Tardá dem spanischen Kultusminister José Ignacio Wert zu. Dessen Volkspartei (PP) hatte isoliert am Donnerstag eine Bildungsreform gegen die gesamte Opposition beschlossen. In Katalonien und dem Baskenland, ist die Ablehnung gegen das "Gesetz zur Verbesserung der Qualität im Bildungssystem" (Lomce) besonders stark, weil Madrid nach deren Ansicht Sprachenrechte und Autonomie weiter beschneidet und noch stärker die Inhalte vorschreibt. Wert hat keinen Zweifel daran gelassen, dass er Katalanen und Basken "spanischer" machen will.

Nach den Katalanen hat am Freitag auch die baskische Regierung lomce ortuzar pnv afirma ley wert no se va aplicar/ angekündigt, man werde das Gesetz nicht anwenden. Schulen können "in aller Ruhe" eigene Gesetze anwenden, sagte die katalanische Kultusministerin Irene Rigau. Man werde mit Nachdruck seine Kompetenzen verteidigen, kündigte Rigau eine Verfassungsklage an. Auch Andalusien will diesem Schritt gehen. Von einer "Attacke auf die Qualität der Bildung", sprach der Kultusminister Luciano Alonso. () Die sozialdemokratische Regionalregierung kritisiert, dass der Ethikunterricht gestrichen, Religion aufgewertet, Privatschulen gegenüber öffentlichen Bildungseinrichtungen bevorzugt und katholische Privatschulen wieder Steuergelder erhalten, in denen Schüler nach Geschlechtern getrennt werden.

Die Opposition spricht einstimmig, von einem "Gesetz mit Verfallsdatum". Es sei "ungerecht", "zentralistisch", "rückwärtsgewandt", "sektiererisch" und "ausgrenzend" sei. Als ersten Schritt werde man es nach den Wahlen in zwei Jahren wieder streichen, wurde einstimmig angekündigt. Dann ist mit der Umsetzung gerade begonnen worden. Die Gewerkschaften rufen die Lehrer zum Streik auf, weil das öffentliche Bildungssystem ausgetrocknet und die Privatisierung vorangetrieben werde. Sie verweisen darauf, dass bisher schon zehntausende Stellen in der Bildung gestrichen wurden. Die Lehrer werden aufgerufen, sich massiv am Streik am 24. Oktober zu beteiligen. Dazu rufen auch Elternvereinigungen wie Ceapa und Schüler- und Studentengewerkschaften auf.

Während die Regierung die Reform auch damit begründet, dass Spanien mit Italien auf dem letzten Platz bei der "Piaac-Studie" gelandet ist, befürchten die Gegner, dass sich die Lage noch verschlechtern wird. Experten kritisieren, dass es in dieser entscheidenden Frage für die Zukunft des Landes keinen Konsens gäbe. Es ist die siebte Reform in den vier Jahrzehnten seit dem Tod des Diktators Franco 1975. Die PP habe erneut eine Chance verpasst, um an der schlechten Bildung etwas zu verändern. Ständige tiefgreifende Veränderungen im Bildungssystem werden von Experten als ein zentraler Faktor dafür geschehen, dass die Ausbildung so schlecht ist.

Unabhängigkeitsbestrebungen werden bestärkt

Klar ist, dass dieses Gesetz die Fliehkräfte im Land deutlich verstärken wird. Schon bisher sprach sich mehr als die Hälfte der Bevölkerung in Katalonien für die Unabhängigkeit von Spanien aus. Dort hat man die dauernde Bevormundung in kulturellen und wirtschaftlichen Fragen satt. Lomce setze dem eine Krone auf, meinen viele in Katalonien, denn Katalanisch soll nicht mehr die wesentliche Unterrichtssprache sein. Die Befürworter einer Loslösung bekommen damit weiter Auftrieb, ohnehin will die Regionalregierung die Bevölkerung 2014 darüber abstimmen lassen, wenn auch Schottland über die Unabhängigkeit von Großbritannien abstimmt.

Für die große Baskisch-Nationalistische Partei (PNV), die das Baskenland regiert, könnte dieses Gesetz zum Wendepunkt werden, wenn es vom Verfassungsgericht abgesegnet wird. Anders als die regierende konservative Schwesterpartei CiU in Katalonien, spricht sich die PNV noch nicht für ein Referendum über die Unabhängigkeit aus. Doch die PNV muss sich spätestens dann klar positionieren, wenn die schwer erkämpften Erfolge in der Sprachenpolitik seit dem Ende der Diktatur in Gefahr geraten. Weil "Euskera" unter Franco jahrzehntelang verboten war und extrem verfolgt wurde, hat sich die baskische Sprache bis heute nicht erholt.

Die PNV kommt längst durch die Vorgänge in Katalonien und eine immer stärker werdende linke Unabhängigkeitsbewegung Bildu unter Druck. Die ist schon zweitstärkste Kraft im Baskenland und droht, der PNV die Hegemonie zu nehmen. Nach dem Ende des Kampfs der Untergrundorganisation ETA vor zwei Jahren wird das Bündnis Bildu (Sammeln) auch für viele an der PNV-Basis wählbar. Der einstige sozialdemokratische Koalitionspartner EA ist der PNV schon verloren gegangen. Weil sie nicht eindeutig für die Unabhängigkeit eintritt, hat EA ein Bündnis mit der radikalen baskischen Linken geschlossen, die seit Jahrzehnten für die Unabhängigkeit eintritt.