Verfassungsgericht kippt Verbot baskischer Linkspartei

Die konservative spanische Regierung ist entsetzt und schließt einen neuen Verbotsantrag nicht aus

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Das spanische Verfassungsgericht hat erneut der Verbotspolitik einen Riegel vorgeschoben. Fast eineinhalb Jahre nach dem Verbot der neuen baskischen Linkspartei "Sortu" (Aufbauen) haben es die höchsten Richter wieder aufgehoben. Der Oberste Gerichtshof in Madrid habe gegen das "Recht auf Vereinigung" und die "Freiheit zur Gründung von Parteien" verstoßen, heißt es im Urteil. Ohne eingehende Prüfung hatte die zuständige Sonderkammer am Gerichtshof den Verbotsantrag der Regierung kurz vor den Kommunal- und Regionalwahlen im vergangenen Jahr wie in allen Fällen zuvor abgenickt.

Begründet werden die Parteiverbote stets damit, dass es sich angeblich um Nachfolgeorganisationen der 2003 verbotenen Partei Batasuna (Einheit) handeln soll, die angeblich im Dienst der Untergrundorganisation ETA stehe. Extra war aber das Parteiengesetz geändert worden. Batasuna wurde verboten, weil sich die Partei nicht wie im Gesetz gefordert von der ETA distanzierte. Doch das hatte Sortu bei der Gründung ausdrücklich getan. "Die neue Partei wird ihre Aktivitäten ausgehend von der Ablehnung von Gewalt als Instrument oder Methode entfalten, um politische Ziele zu erreichen". () Gewalt "wird offen und unverblümt verurteilt, eingeschlossen die der Organisation ETA", hatte das ehemalige Batasuna-Führungsmitglied Rufi Etxeberria bei der Vorstellung erklärt und diese Grundsätze finden sich auch in den Parteistatuten.

Dass es "keinen Weg zurück" gibt, wurde im vergangenen Oktober deutlich. Auf Druck der baskischen Linken hatte die ETA nach einer langen Waffenruhe erklärt, den bewaffneten Kampf endgültig einzustellen.() So ist es eigentlich erstaunlich, dass die Legalisierung von Sortu nur mit einer knappen Mehrheit von sechs zu fünf Richtern erging. Es ist nun aber der dritte Fall, in dem das Verfassungsgericht ein von der Regierung angestrebtes Verbot wieder kippt.

Das Urteil liegt auch auf der Linie der Entscheidung des Nationalen Gerichtshofs am Montag. Das Madrider Sondergericht hatte elf Führungsmitglieder von zwei verbotenen baskischen Parteien freigesprochen. Die Mitglieder von Askatasuna (Freiheit) und D3M (Demokratie für 3 Millionen) - in Anspielung auf die gesamte baskische Bevölkerung - wurden beschuldigt, die ETA zu unterstützen. Kandidaturen zu betreiben, die ideologisch mit der linken baskischer Unabhängigkeitsbewegung übereinstimmen, bedeute nicht, Mitglieder der ETA zu sein, wie die Anklage behauptet hatte. Das ist neu am Sondergericht, das damit die Verbote dieser Parteien in Frage gestellt. Im Fall von Askatasuna war es absurd, schließlich bestand die Partei seit vielen Jahren und hatte sogar gegen Batasuna kandidiert.

Die konservative spanische Regierung ist über die Legalisierung von Sortu entsetzt. Justizminister Alberto Ruiz-Gallardón hat die "Diskrepanz" der Regierung zum Sortu-Urteil verkündet. Während er das Urteil respektieren wolle, schloss Innenminister Jorge Fernández Díaz ein neues Verbotsverfahren nicht aus. Dafür werde man zunächst die Begründung der Verfassungsrichter studieren. Es drängt sich der Eindruck auf, dass seine rechte Volkspartei (PP) die Gewaltfrage nur vorgeschoben hat, um die Forderungen der baskischen Linken nach einem vereinten, unabhängigen und sozialistischen Baskenland zu kriminalisieren.

Im Baskenland begrüßen praktisch alle Parteien bis auf die PP das Urteil. Auch die spanischen Sozialisten, in deren Regierungszeit das Verbot von Sortu und anderer Parteien beantragt wurde, sprechen wie der Chef der baskischen Sozialisten von der "Legalisierung einer Realität". Patxi López weist darauf hin, dass die baskische Linke in der Koalition Bildu und Amaiur längst legal kandidiert und sich bei den vergangenen Wahlen als zweitstärkste Kraft etabliert hat. Auch die große Baskisch-Nationalistische Partei (PNV) begrüßt das Urteil und erwartet, dass damit der Prozess für eine Friedenslösung und Normalisierung vorankommt.

Der Ruf nach vorgezogenen Neuwahlen im Baskenland wird nun noch lauter, denn das baskische Parlament bildet die Realität nicht ab, weil alle Parteien der baskischen Linken bei den Wahlen 2009 verboten waren. So konnten die spanischen Sozialisten und mit der konservativen Volkspartei (PP) eine Sitzmehrheit erringen. Die PP hat inzwischen ohnehin der López die Unterstützung entzogen, weil dessen Sozialisten den drastischen Sparkurs im Baskenland nicht mittragen wollen. Erwartet wird, dass im Herbst gewählt wird.