Die ehrenwerte Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte

Jura-Professor muss Mafia-Äußerung über GEMA unterlassen

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Der schon mehrfach mit ketzerischen Thesen zum Urheberrecht aufgefallene Prof. Dr. Dr. Thomas Hoeren, derzeit Dekan der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Münster, hat sich gegenüber der GEMA zur Unterlassung einer Äußerung mit Mafia-Bezug verpflichtet. Zuvor hatte er in einem Interview mit dem Magazin „brandeins“, das entsprechend betitelt ist, von „mafiösen Strukturen“ gesprochen. Wörtlich hatte der vormalige OLG-Richter gesagt: „Man darf den Einfluss von bestimmten Unternehmen der Unterhaltungsindustrie nicht unterschätzen, und man muss außerdem wissen, dass es damals innerhalb der Gema "mafiöse" Strukturen gab, die die Gema noch bis heute beherrschen." Es ist anzunehmen, dass dieser Unterlassungserklärung eine entsprechende Abmahnung seitens der GEMA vorausging.

Hoeren, der sich mit Informationsrecht fast schon seit dem Lochkartenzeitalter befasste, hatte sich als Gründungsdirektor des Instituts für „Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht“ früh einen Namen im Internetrecht gemacht und kritisiert nachhaltig das Gebaren und Personal der Wahrnehmungsgesellschaften wie der GEMA und der VG Wort. Auch im genannten Interview kritisierte Hoeren, dass das von diesen Organisation gesammelte Geld nicht komplett an die Urheber, sondern auch an Verlage und Musik-Label fließe, ohne dass diese juristisch dazu einen Hauch von Berechtigung zu hätten. Die Musik-Label etwa hätten irgendwann entdeckt, dass die GEMA über eine Sonderkonstruktion aus den Dreißigerjahren verfüge, die ausnahmsweise angewandt wurde. Große Labels hätten sich nach dem Zweiten Weltkrieg da rangehängt und sich zum Teil pro forma Musikverlage zugelegt oder selbst gegründet und bekämen bis heute je nach Ausschüttung rund 40 Prozent der Gesamtsumme.

Der Vergleich von Organisationen oder Personen mit der Mafia oder deren Bezeichnung als (organisiert) kriminell ist nicht ohne Weiteres von der an sich grundgesetzlich garantierten Meinungsfreiheit gedeckt. Gerichte etwa einer norddeutschen Großstadt interpretieren solche Äußerungen häufig als Tatsachenbehauptungen, welche die Verwirklichung strafrechtlich relevanter Handlungen unterstellten. Derartiges sei nur bei hinreichenden Anlasstatsachen wie entsprechenden Verurteilungen zulässig und verstoße andernfalls gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Ob eine Äußerung tatsächlich wörtlich zu verstehen ist, oder eher spöttisch, ist nach der Rechtsprechung von Bundesgerichtshof und Bundesverfassungsgericht vor allem eine Frage des Kontextes. Manche Instanzgerichte sind jedoch dafür berüchtigt, Äußerungen aus ihrem Zusammenhang zu reißen und isoliert zu bewerten. Auch juristische Personen – etwa die als Verein organisierte GEMA – können Persönlichkeitsrechtsverletzungen reklamieren und zivilrechtlich Unterlassung einfordern. Auch, wenn vieles für die Zulässigkeit des in Rede stehenden Vergleichs spräche, sind derartige Verfahren wegen unterschiedlicher Auffassungen der Gerichte langwierig und lästig. Ein vielbeschäftigter Geist wie Hoeren vermag seine Zeit sinnvoller einzusetzen und hat jedenfalls öffentlich abgeschworen.

Es stellt sich allerdings die Frage, wie man sachlich oder spöttisch die Verhältnisse in der Urheberrechtslandschaft rechtssicher bezeichnen soll. Nicht von ungefähr hat sich bei Kritikern der Kampfbegriff „Content-Mafia“ etabliert. Auch eine Google-Suche für die Kombination „Mafia“ und „GEMA“ generiert eine beeindruckende Anzahl an Treffern. Bereits vor Jahren hatten Mitglieder des Chaos Computer Clubs erfolglos über eine alternative Wortwahl sinniert. Die Bezeichnung „Mafia“ ist erst seit den 50er Jahren geläufig, als in den USA die Existenz des nationalweit organisierten Verbrechens auf der politischen Ebene diskutiert wurde und nach dem berühmten "Apalachin-Treffen" als italienisch gelabelt wurde. Ob die italienischen Gangsterbanden den Mafia-Begriff vorher selbst verwandt hatten, ist umstritten.

Zum Wesen organisierter Kriminalität gehört jedenfalls die Deckung seitens korrumpierter staatlicher Institutionen. Daher ist spannend, dass die GEMA gegen die insoweit angedeutete Kritik offenbar nicht vorgeht. So äußerte Hoeren in dem besagten Interview weiter, es sei ein offenes Geheimnis, dass die Kontrolle über die GEMA nicht funktioniere. Beim Deutschen Patent- und Markenamt habe es früher einen einzigen juristischen Prüfer gegeben, von dem es hieß, er sei bei der Sitzung der GEMA anwesend gewesen und habe nichts zu beanstanden gehabt, sondern die Entscheidungen der GEMA abgenickt. Die Verwertungsgesellschaften seien unfassbar intransparente Organisationen. Auch bei der VG Wort kassierten die Verlage mit, obwohl sie das nicht dürften, und niemand könne eigentlich noch genau sagen, wie es überhaupt dazu gekommen sei.

An der Musik über die Mafia jedenfalls verdient hierzulande tatsächlich die GEMA. Ob sich inzwischen auch die Mafia gegen Vergleiche mit der GEMA gewehrt hat, ist derzeit unbekannt. Der Vergleich hinkt allerdings tatsächlich, denn wer bei der Mafia zu singen anfängt, schläft bald darauf bei den Fischen.

UPDATE: Hoeren kommentiert in seinem Blog.