Karlsruhe verhandelt über Anleihekäufe, die Portugal fordert

Portugal fordert angesichts steigender Zinsen, den umstrittenen Ankauf von Staatsanleihen wieder zu starten, in dem Kläger vor dem Verfassungsgericht verbotene Staatenfinanzierung sehen

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Das Krisenland Portugal fordert, die Europäische Zentralbank (EZB) müsse die Aufkäufe von Staatsanleihen wieder aufzunehmen, während das Bundesverfassungsgericht über den EZB-Kurs in der Schuldenkrise verhandelt. In Karlsruhe wird gerade über die Legitimität umstrittener Ankaufprogramme verhandelt, für die sich der portugiesische Staatspräsident Anibal Cavaco Silva am Donnerstag in Brüssel stark gemacht hat, als er EU-Kommissionspräsident José Manuel Durão Barroso besuchte.

Bei seinem Landsmann wiederholte er die Forderung, die er schon am Mittwochnachmittag im Europaparlament aufgestellt hatte. "Ich glaube, Portugal erfüllt die Bedingungen dafür, dass die EZB portugiesische Staatsanleihen aufkauft", erklärte er den Europaparlamentariern. Unweit davon wurde in Karlsruhe am zweiten Tag darüber verhandelt, ob mit der Ankündigung von EZB-Präsident Mario Draghi, "unbegrenzt Anleihen überschuldeter Euro Länder zu kaufen, um deren Zinsen zu senken", gegen das deutsche Grundgesetz und den EU-Vertrag verstoßen wird. Der Portugiese bezog sich ausdrücklich auf das Versprechen von Draghi im Herbst 2012, weil die Zinsen für Portugal wieder steigen.

Zunächst hatte sich mit der EZB-Niedrigzinspolitik (und der Geldschwemme die Lage für Portugal wieder etwas entspannt. Es gelang dem Land sogar, wieder Staatsanleihen an den Kapitalmärkten zu versteigern. Die Hoffnungen schwinden aber, dass Portugal 2014 an die Finanzmärkte zurückkehren kann und kein zweites Rettungspaket benötigt. Der Citigroup Chefökonom Willem Buiter geht sogar davon aus, dass nach Griechenland auch für Portugal ein Schuldenschnitt nötig werden dürfte, wie seit langem vermutet wird.

Die Zinsen stiegen zuletzt wieder deutlich. Allein am Donnerstag schnellte der Risikoaufschlag für zehnjährige portugiesische Anleihen um 20 Punkte auf über 500 Basispunkte hoch. Sie wurden gut fünf Prozentpunkt über Bundesanleihen mit 6,5 Prozent gehandelt. Derartige Zinsen kann sich das hoch verschuldete Land nicht leisten, weshalb die EZB zum Eingreifen aufgefordert wird.

Ob Aufkäufe aber wirken, wird bezweifelt. Zudem meinen die Kläger in Karlsruhe, dass es sich um eine verbotene Staatsfinanzierung handelt und die EZB ihre Kompetenzen überschreite. Das glaubt auch Bundesbankpräsident Jens Weidmann. Er hatte im EZB-Rat gegen neue Ankäufe gestimmt, weil sich "Risiken aus daraus resultierenden Verlusten für den Steuerzahler" ergeben, argumentierte er in Karlsruhe. Für mehr als 200 Milliarden Euro hat die EZB schon Anleihen von Krisenländern aufgekauft. Doch damit konnte sie nicht verhindern, dass die Zinsen für Griechenland, Portugal und Irland zu hoch wurden und sie doch unter den Rettungsschirm gehen mussten.

Cavaco Silva forderte aber angesichts der "unhaltbar hohen" Arbeitslosigkeit, Beschäftigung und Wachstum in seinem Land zu fördern. Er will eine Belohnung dafür, dass Portugal die harten Sparprogramme umgesetzt hat, die nun sogar der Internationale Währungsfonds (IWF) als Fehler bezeichnet. Der IWF, der zur Troika aus EU-Kommission und EZB gehört, gab zu, die Auswirkungen auf Arbeitslosigkeit und Rezession völlig unterschätzt zu haben. 18 Prozent der Portugiesen sind arbeitslos, während das Land immer tiefer in die Rezession gespart wurde. In der Troika wird längst öffentlich gestritten, weshalb der portugiesische Regierungschef Pedro Passos Coelho forderte, den Streit sofort zu beenden. Der Konservative sprach von einer "öffentlicher Show, die an den Märkten für Misstrauen sorgen könnte", was die Zinsen steigen lässt.

Trotz aller Probleme hat der IWF dem Land aber erneut Fortschritte bestätigt und der Auszahlung der siebten Hilfstranche in Höhe von 657 Millionen Euro zugestimmt. Dabei ist 2012 das Haushaltsdefizit wieder um zwei Punkte auf 6,4 Prozent gestiegen ist, statt wie geplant zu sinken. Deshalb wurden auch die Defizitziele erneut angepasst, "um das Gleichgewicht zwischen Konsolidierung und Förderung von Wirtschaftswachstum und Beschäftigung zu erreichen", sagte die stellvertretende IWF-Direktorin Nemat Shafik. Erst 2015 soll nun das Stabilitätskriterium mit einem Defizit unter drei Prozent wieder eingehalten werden.

Auch die geplante Rückzahlung der Hilfskredite in Höhe von 78 Milliarden Euro wurde verschoben, um den Haushalt nicht zusätzlich zu belasten. Die Lage ist so ernst, dass die Regierung eine Sonderzahlung an Rentner und Beamte "wegen fehlender Mittel" nicht auszahlen kann, sagte Coelho. Die wollte er ohnehin streichen, doch das untersagte das Verfassungsgericht. Nun will er sie erst im November auszahlen. Das wertet die Opposition erneut als Bruch der Verfassung und Verstoß gegen das Urteil der Verfassungsrichter. Damit wird der am 27. Juni geplante Generalstreik weiter angeheizt, an dem sich diesmal die beiden großen Gewerkschaftsverbände beteiligen.