Japan atomfrei

Letzter Reaktor zur Revision vom Netz genommen. Die Lichter bleiben dennoch an. Anti-AKW-Bewegung feiert Abschaltung

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In diesen Stunden wird in Japan der letzte verbliebene Reaktor für eine routinemäßig anfallende Revision vom Netz genommen. Damit ist das Land zum ersten Mal seit 1970 vollkommen frei von Atomstrom. Um 17 Uhr Ortszeit wurde mit dem Runterfahren von Reaktor Tomari 3 begonnen. Der Vorgang sollte nach unterschiedlichen Angaben zwischen 21 und 23 Uhr Ortszeit (16 bis 18 Uhr MESZ) abgeschlossen sein. Das AKW liegt in der Nähe der gleichnamigen Stadt an der Südwestküste von Hokkaido, Japans nördlichster Hauptinsel. ( Link zu einem Amateur-Video von einer Demonstration gegen das AKW Tomari im ebenfalls auf Hokkaido gelegenen Sapporo im April letztes Jahr.)

Im AKW Tomari stehen insgesamt drei Reaktoren, die anderen beiden wurden nach Angaben des japanischen Citizen's Nuclear Information Centre im April bzw. August 2011 zur Revision vom Netz genommen und bisher nicht wieder angeschaltet. Die japanische Regierung hat erhebliche Schwierigkeiten, die Wiederinbetriebnahme von abgeschalteten Reaktoren durchzusetzen. Für die Genehmigung sind regionale und lokale Behörden zuständig, die sich angesichts der Opposition in der Bevölkerung widerspenstig zeigen. Die Regierung in Tokio versucht derzeit vor allem, wie berichtet, die Wiederinbetriebnahme der Reaktoren Oi 3 und 4 durchzusetzen, ist damit aber bisher gescheitert. Die Japan Times berichtet von einer neuen landesweiten Umfrage, wonach 59,5 Prozent der Befragten die Inbetriebnahme von Oi 3 und 4 ablehnen und nur 26,7 Prozent sie befürworten.

Japan hatte bis zum Großen Ost-Japan-Erdbeben vom 11. März 2011 und der nachfolgenden mehrfachen Reaktorkatastrophe im AKW Fukushima Daiichi rund ein Drittel seines Strombedarfs mit 54 Reaktoren gedeckt. In Tokio feierten Demonstranten die Abschaltung des letzten Reaktors. Nach Agaben der Veranstalter nahmen 5.500 Menschen an einer Demonstration teil, die den vollständigen Ausstieg aus der Atomkraftnutzung forderte.

Die Regierung redet zwar immer wieder von drohendem Stromausfall, aber bisher können größere Probleme offensichtlich durch Stromsparen, Abbau der Verbrauchsspitzen durch bessere Planung und Verteilung des Verbrauchs sowie durch den vermehrten Einsatz von Kohle, Öl und Erdgas vermieden werden. Auch die Förderung der erneuerbaren Energieträger ist wieder aufgenommen worden, nachdem Japan durch eine einseitige Pro-AKW-Politik in den letzten Jahren seine einst führende Stellung als Solarzellenproduzent verspielt hatte (siehe zum Beispiel Offshore-Fotovoltaik in Japan und Japan veröffentlicht Einspeisetarife).