Polizei darf auf manchen U-Bahnhöfen in Echtzeit zuschauen

Damit sollen Straftaten verhindert werden

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Die Schilder mit dem Hinweis: "Dieser Bahnhof wird zu Ihrer Sicherheit per Video kontrolliert" tragen an drei Berliner U-Bahnhöfen seit letzter Woche ein Polizeiemblem. Damit sollen die Bahn-Nutzer darauf aufmerksam gemacht werden, dass auf den Bahnhöfen Alexanderplatz, Zoologischer Garten und Kottbusser Tor die Videoüberwachung der BVG künftig auch durch die Polizei mit genutzt wird (). Ein Polizeibeamter kann sich rund um die Uhr in die Videokameras einklinken und auf den Monitoren die Sicherheitslage beobachten.

"Mit den Maßnahmen sollen Straftaten verhindert oder so früh wie möglich erkannt werden, um die Sicherheit im Öffentlichen Personennahverkehr weiter zu verbessern", begründete ein Polizeisprecher diese Maßnahme.

Die datenschutzrechtlichen Voraussetzungen sind in den letzten Monaten geschaffen worden. Bereits seit Juli 2011 werden sogenannte Brennpunkt-Bahnhöfe im Rahmen eines Sicherheitspaktes zwischen Berliner Senat und BVG permanent überwacht. Zuvor hatten einige spektakuläre Gewalttaten und die Aufbereitung vor allem in den Berliner Boulevardmedien den Ruf nach einer verstärkten Überwachung zur angeblichen Hebung des Sicherheitsgefühls lauter werden lassen.

Seitdem sitzt auch ein Polizist in der BVG-Leitstelle, dem anlassbezogen Videoausschnitte von den Monitoren vorgelegt werden. Das war meist dann der Fall, wenn es zu einer Straftat gekommen ist, die dann ausgewertet werden sollte. Jetzt darf der Beamte auch den laufenden Betrieb auf den Monitoren verfolgen. Damit wollen Polizei und BVG der Kritik begegnen, dass es nicht reicht, wenn die Polizei nachträglich Ausschnitte von Straftaten auswertet

Rufe nach mehr Polizei werden lauter

Auch die Neuregelung hat schon Kritik hervorgerufen. Datenschutzorganisationen wie die Humanistische Union äußern sich kritisch zu der Ausweitung der Überwachung. In den letzten Tagen wurden in den Medien aber auch schon Stimmen laut, die für weitere Sicherheitsmaßnahmen plädierten. So wurden Fahrgäste interviewt, die monierten, es nütze nichts, wenn die Polizei Straftaten über den Monitor verfolgt und nicht vor Ort ist. Zudem wüssten sie nicht, ob gerade jemand vor dem Monitor sitzt. Ihrem Sicherheitsgefühl sei mehr genüge getan, wenn mehr Polizei vor Ort wäre.

Damit wird ein von Datenschützern häufig beobachteter Mechanismus in Gang gesetzt. Mehr Überwachung führt objektiv nicht zu mehr Sicherheit, ja nicht einmal zu einem subjektiv höheren Sicherheitsgefühl. Vielmehr folgen gleich die Forderungen nach weiteren Sicherheitsmaßnahmen. Aus Kostengründen werden es dann nicht mehr Polizisten, sondern private Wachdienste sein, die verstärkt in bestimmten U-Bahnhöfen eingesetzt werden.

Dass die verschiedenen Sicherheitsdienste, ob staatlich oder privat. bei nicht wenigen Menschen ebenfalls das Sicherheitsgefühl nicht erhöhen, wird dabei gerne ausgeklammert. Dabei ist die Frage, wann sich ein subjektives Sicherheitsgefühl einstellt, äußerst schwierig zu beantworten. Zumindest ist es wohl nicht von der empirisch belegbaren Tatsache abhängig, dass die Straftaten von Jugendlichen insgesamt nicht steigen, sondern zurückgehen.

Klar ist allerdings, dass Menschen, die Betroffene oder Zeugen einer Straftat wurden, sich nicht damit trösten können, dass solche Vorkommnisse weniger werden. Die Frage, ob darauf immer nur mit mehr Kontrolle und mehr Polizei reagiert werden muss, sollte allerdings schon gestellt werden. Schließlich hat die BVG im Rahmen von Sparmaßnahmen ihr Personal so ausgedünnt, dass an vielen Bahnhöfen keine Ansprechpartner mehr bereit stehen. Die aber könnten mögliche Konflikte vielleicht eher im Vorfeld erkennen und zu entschärfen versuchen, bevor es zu einer Gewalttat kommt, als dies mit einer Video-Überwachung gelingt.