Die deutsche Wirtschaft startet schwungvoll

Aber die Zahl derer wächst, die vom eigenen Einkommen nicht leben können

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Das Statistische Bundesamt (Destatis) in Wiesbaden hat der deutschen Wirtschaft einen schwungvollen Start ins neue Jahr attestiert. "Um 1,5 Prozent ist das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im ersten Quartal 2011 - preis-, saison- und kalenderbereinigt - gegenüber dem Vorquartal gewachsen", hat Destatis am Freitag mitgeteilt. Damit sei nun das Niveau überschritten worden, das vor dem Beginn der Krise Anfang 2008 geherrscht hatte. Aus dem schweren Einbruch in der Krise zuvor erklärt sich auch, dass das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Vergleich zum 1. Quartal 2010 so stark zugelegt habe, "wie noch nie seit der deutschen Vereinigung: Das preisbereinigte BIP stieg im ersten Quartal 2011 gegenüber dem ersten Quartal 2010 um 5,2% (kalenderbereinigt: + 4,9%)."

Positiv streicht Destatis auch heraus, dass die gestiegene Wirtschaftsleistung im ersten Quartal 2011 auch zu 40,4 Millionen Erwerbstätigen geführt habe, das seien 552.000 Personen oder 1,4 Prozent mehr als ein Jahr zuvor gewesen. Dabei gibt es keinen Anlass, um in Freudentaumel zu verfallen. Denn in den Zahlen zum Arbeitsmarkt verbirgt sich eine dramatische Wahrheit: Immer weniger Menschen können von dem leben, was sie als Lohn für ihre Arbeit erhalten.

Denn es ist dramatisch, dass angesichts der Wirtschaftsentwicklung die Zahl derer, die zusätzlich zu ihrem Lohn auch noch auf staatliche Zusatzleistungen (Hartz IV) angewiesen sind, erneut deutlich gestiegen ist. Die gesamte Zahl der "Aufstocker" lag im Durchschnitt bei 1,383 Millionen. Das sind 4,4% mehr als 2009, Anhand der Zahl erhält man eine Ahnung, woher das Wachstum eben auch kommt. Die Bundesagentur für Arbeit ( BA) zeigt auf, dass sich damit eine fatale Tendenz verstetigt, denn im Vergleich zu 2007 ist die Zahl der öffentlich subventionierten Jobs sogar schon um 13,5% gewachsen. Dazu kommt ja noch die Generation Praktikum, wo gut ausgebildete Menschen oft sogar unentgeltlich arbeiten dürfen und dabei fest in die Unternehmensstruktur eingebunden sind. Deutlicher als an diesen beiden Phänomenen lässt sich das Lohndumping kaum beschreiben, das Deutschland vorgeworfen wird und die Bundeskanzlerin als zweifelhaftes Erfolgsmodell in Europa durchzusetzen versucht.

BIP ist im Euroraum um 0,8 Prozent gewachsen

Mit den Daten aus Deutschland kann auch die europäische Statistikbehörde Eurostat vermelden, dass im ersten Quartal 2010 im Vergleich zum Vorquartal das BIP im Euroraum um 0,8% gestiegen ist. Das ist deutlich mehr als im vierten Quartal 2010, als es +0,3% waren. Im Jahresvergleich sei nach der Schnellschätzung das saisonbereinigte BIP im ersten Quartal 2011 um 2,0% gestiegen. Dabei fällt neben Deutschland auch Frankreich mit einem Wachstum von 1% auf, nachdem es im Vorquartal nur 0,3% waren.

Es sticht auch heraus, dass Griechenland nach etlichen Quartalen im Minus ein Wachstum von 0,8% verzeichnet hat. Das ist aber nicht sonderlich erstaunlich, wenn man bedenkt, dass die Wirtschaftsleistung des Landes im vierten Quartal 2010 gegenüber dem Vorjahresquartal sogar um 7,4% geschrumpft war. Auch Griechenland dürfte im Tourismusgeschäft davon profitiert haben, dass Tunesien, Ägypten und andere Urlaubsländer wegen der Unruhen ausgefallen sind. Deshalb dürfte auch das abstürzende Spanien ein kleines Plus von 0,3% erzielt haben.

Dass Portugal trotz dieses Effekts erneut ein Minus von 0,7% verzeichnete, zeigt, wie tief das Land in die Rezession gespart wird. Schon im Vorquartal war die Wirtschaftsleistung um 0,6% geschrumpft, womit nun offiziell von Rezession in Portugal gesprochen werden kann, das über die Rosskur mit neuen Sparmaßnahmen auf den griechischen Weg geschickt werden soll. Zum Absturzland im Norden - Irland – liegen noch keine Quartalszahlen vor. Man darf gespannt sein, was nach einem Minus von 1,6% Ende 2010 nun ermittelt wird. Schrumpft die Wirtschaftleistung auch dort erneut, wäre der Double-Dip auch in Irland über die strengen Sparprogramme wieder eine Realität.

Immer mehr Sorgen bereitet um das extrem verschuldete Dauerkrisenland Italien. Das Land kommt aus dem Jammertal einfach nicht heraus. Nachdem im Vorquartal ein Minimalwachstum von 0,1% verzeichnet wurde, hat sich die praktische Stagnation trotz der gestiegenen Nachfrage auf den Weltmärkten auch im ersten Quartal nicht verändert. Die leichten Hoffnungsschimmer aus den Quartalen 2/2010 (+0,5%) und 3/2010 (+0,3%) verblassen zusehends. Das drittgrößte Euroland kommt also nicht nur wegen der Verschuldung und der Regierungskrise in ein immer gefährlicheres Fahrwasser.