Vor rot-grüner Landesregierung in Berlin?

Die SPD will und die Grünen machen ihr Avancen

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In Berlin wird es wohl wieder einen von SPD und Grünen geführten Senat geben. Mit nur drei Gegenstimmen hat der SPD-Landesvorstand am Montag beschlossen, mit den Grünen Koalitionsverhandlungen aufzunehmen.

Obwohl die Ökopartei ihren basisdemokratischen Grundsätzen gemäß erst am kommenden Freitag auf einen Landesparteitag über die Koalitionsgespräche abstimmt, gibt es keine Zweifel, dass die Grünen zustimmen werden. Schließlich haben sie sich schon vor der Wahl von schwarz-grünen Koalitionsspielen verabschiedet, die bei der Basis der Berliner Grünen nicht gut angekommen waren. Nach der Wahl machten die Grünen der SPD fast täglich Avancen. Schließlich war die Furcht groß, dass sie von der Wowereit-SPD abermals in die Opposition verwiesen werden.

Auch nach den letzten Wahlen hatten sich die Grünen Hoffnung aufs Mitregieren gemacht. Doch Wowereit entschied sich für die pflegeleichten Sozialdemokraten von der PDS bzw. Linkspartei. Er hätte sicher diese Koalition gerne fortgesetzt. Doch weil ein Teil der Linkenwähler zur SPD, den Piraten oder den Nichtwählern gewechselt sind, gab es rechnerisch keine Möglichkeit, diese Koalition fortzusetzen.

So blieb Wowereit als Alternative zum Bündnis mit den Grünen nur die Zusammenarbeit mit der CDU. Die hatte nach der Wahl alles versucht, um der SPD eine große Koalition schmackhaft zu machen. Schließlich lautete das Ziel der Hauptstadt-CDU mitregieren, um fast jeden Preis. Dafür wäre die eigentlich stockkonservative Union auch zu einem Bündnis mit den Grünen bereit gewesen, wenn die Mehrheitsverhältnisse das hergegeben hätten. Umso leichter wäre der CDU eine große Koalition gefallen. Denn darin waren beide Parteien schon geübt. Hierin aber lag auch für die SPD ein wichtiges Argument, sich dagegen zu entscheiden.

Schließlich wird die große Koalition in Berlin mit politischem Stillstand, aber auch mit unpopulären wirtschaftspolitischen Entscheidungen verbunden. Der zweite Grund, warum sich die SPD dagegen entscheidet, ist bundespolitischer Natur. Ein rot-grün regiertes Berlin kann im Bundesrat frontal gegen die Bundesregierung opponieren. Zudem hat die SPD bundespolitisch ihre Rhetorik auf eine Ablösung der schwarz-gelben Regierung gestellt, nachdem sich in Hamburg gezeigt hat, dass man damit Wahlen gewinnen kann. Eine große Koalition würde diese bundespolitischen Ambitionen der SPD konterkarieren.

Kompromiss beim Autobahnbau?

Bei soviel Taktik kommt es auf die Inhalte nicht mehr so stark an. Besonders an zwei zentralen Punkten ist der Dissens groß. Es geht um den Ausbau des Flughafens Schönefeld und den Ausbau der Autobahn 100. Mit Bundesmitteln soll ein 3,2 Kilometer langes Teilstück von Neuköln nach Treptow gebaut werden. Die Grünen waren vor der Wahl strikt dagegen und haben sich immer wieder gemeinsam mit Ökologen und Anwohnern an Protesten beteiligt.

Auch in der SPD ist der Autobahnausbau umstritten, es gab schon Parteitagsbeschlüsse dagegen, die von Woworeit gekippt wurden. Der autobahnkritische Flügel der SPD kann in der jetzigen Konstellation die alte Debatte wieder aufrollen und die Grünen sind in der komfortablen Situation, die Widersprüche beim Koalitionspartner aufzuzeigen. Daher ist es nicht verwunderlich, dass sie hier schon einen ihnen weit entgegenkommenden Kompromiss erzielt haben. Danach sollen vom Bund bereit gestellten Fördermittel in andere Infrastrukturprojekte umgeleitet werden, unter der Voraussetzung der Bund stimmt zu.

Wenn nicht, soll die Autobahn doch gebaut werden und die Grünen hätten mit ihrer Basis ein Problem. Dass nun der als Autobahnfreund bekannte christsoziale Verkehrsminister Peter Ramsauer entscheidet, ob die Grünen erfolgreich sind, mag vielen nicht behagen. Aber wenn es darauf ankommt, würde wohl auch bei den Berliner Grünen mehrheitlich die Koalitionsdisziplin siegen. Sollte der linke Flügel die knappe rot-grüne Mehrheit in Gefahr bringen, wird es noch immer ein Paar Piraten geben, die einspringen.