Kohle unter Beschuss

US-Umweltschützer machen Betreibern von Kohlekraftwerken das Leben schwer

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Erfreuliche Nachrichten von jenseits des Atlantiks. Die USA gelten im allgemeinen ja in Sachen Klimaschutz als der große Gott-sei-bei-uns, als der Bremser und Verhinderer internationaler Abkommen. Doch das Bild ist unvollkommen. Während sich in Washington Big Oil und dessen kleiner Cousin King Coal durchsetzen, tut sich an der Basis der US-Gesellschaft beachtliches. In zahlreichen kleinen Scharmützeln haben Umweltschützer und besorgte Bürger insgesamt 166 Kohlekraftwerke verhindert, schreibt das linke Netzmagazin Mother Jones. Dadurch seien jährliche Emissionen von 654 Millionen Tonnen Kohlenstoff verhindert worden. Das wäre allerdings ziemlich viel. Vermutlich meinen die Autoren die CO2-Emissionen. Aber auch eine Minderung der US-Emissionen um 654 Millionen Tonnen CO2 im Jahr wäre noch ein beachtlicher Erfolg für den Klimaschutz. Das wären immerhin rund 75 Prozent dessen, was Deutschland gegenwärtig pro Jahr an CO2 in die Atmosphäre pustet.

Der Klimaschutz ist allerdings in den USA wie hierzulande nur ein Aspekt unter mehreren, der die Leute auf die Barrikaden treibt, wenn in ihrer Nachbarschaft ein neues Kohlekraftwerk entstehen soll. Zu den prominentesten Unterstützern der Anti-Kohlekampagne in den USA gehört der milliardenschwer New Yorker Bürgermeister Michael Bloomberg. 50 Millionen US-Dollar hat er letztes Jahr der Umweltorganisation Sierra Club für dessen Kampagne Beyond Coal zugesagt.

Bloomberg treiben vor allem die Gesundheitsaspekte um. Kohlekraftwerke emittieren neben dem Treibhausgas CO2 auch jede Menge anderer schädlicher Substanzen wie Feinstäube, Quecksilber, Cadmium, Stickoxide, Blei und Arsen. (Vor einigen Jahren hatten wir dies am Beispiel des seinerzeit bei Greifswald geplanten Kohlekraftwerks Lubmin vorgerechnet, was in Deutschland trotz diverser Filter legal erlaubt ist.) Nach Aussage Bloombergs, die Mother Jones zitiert, sterben in den USA jährlich 13.000 Menschen an den Folgen dieses giftigen Abgas-Cocktails.

Entsprechend geben sich der umtriebige Bürgermeister und der Sierra Club mit dem erreichten nicht zufrieden. In einem nächsten Schritt haben sie die bereits laufenden Kohlekraftwerke ins Visier genommen. Ihr Ziel: Bis 2020 soll ein Drittel von ihnen stillgelegt werden. Das wirft natürlich die Fragen nach Alternativen auf. Auch hier tut sich auf den unteren Ebenen trotz der wissenschaftlich-feindlichen Kampagnen der Republikaner und des Tea-Party-Millieus, die sich nicht nur gegen Klimawissenschaften und -schutz im Allgemeinen, sondern auch gegen erneuerbare Energieträger im Besonderen richten, einiges. Die Mehrheit der Bundesstaaten hat den regionalen Energieversorgern inzwischen Mindestanteile von "grünen" Strom vorgeschrieben. Es gibt also immerhin einige Anreize für den Bau von Windkraft- und Solaranlagen, auch wenn es bisher immer noch an einer konsistenten US-weiten Förderpolitik mangelt.

Auch in Deutschland sind in den vergangenen Jahren bereits 16 geplante Kohlekraftwerke meist durch den Druck örtlicher Initiativen verhindert worden, wobei die unsicheren wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zum Teil mehr, zum Teil weniger zum Erfolg des Bürgerprotestes beigetragen haben. An einigen Standorten wie etwa in Brunsbüttel an der Mündung des Nord-Ostsee-Kanals in die Elbe wird noch über den Bau neuer Kraftwerke gestritten. Auch dort bekommen einige Investoren aber kalte Füße. Kürzlich hat die Deutsche Umwelthilfe gegen die wasserrechtliche Genehmigung eines der dortigen Vorhaben, das Europas größtes Steinkohlekraftwerk werden könnte, [http://www.duh.de/pressemitteilung.html?&no_cache=1&tx_ttnews[tt_news]=2819&cHash=93386129f196720d90f11b633306d934 Klage beim Oberverwaltungsgericht in Schleswig eingereicht].