Konservative protestieren gegen Abtreibungsgesetz in Spanien

Zehntausende demonstrierten in Madrid gegen die Reform des Abtreibungsgesetzes in Spanien.

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Scheinbar geht es um die Abtreibung, tatsächlich blasen Spaniens Konservativen zum Sturm auf die Regierung der Sozialisten (PSOE) unter José Luis Rodríguez Zapatero. Dass am Samstag in der Hauptstadt erneut gegen die Reform des Abtreibungsgesetezes demonstriert wurde, ist letztlich für viele nur ein Vorwand. Das Gesetz sieht vor, dass künftig in den ersten 14 Wochen der Schwangerschaft ohne Begründung abgetrieben werden kann. Die Konservativen, angeführt von reaktionären Kreisen der katholischen Kirche, sprechen von einer "Legalisierung des Massenmords" und vergleichen die Abtreibung sogar mit dem Holocaust.

Wie stets wird neben dem Inhalt auch über Zahlen gestritten. Die unabhängige Firma Lynce, die sie für die Nachrichtenagentur Efe die Beteiligung gezählt hat, spricht von 55.000 Demonstranten und die Polizei gibt schon 250.000 an. Die Regierung der Region Madrid, deren Präsidentin Esperanza Aguirre an der Kundgebung teilgenommen hat, bietet schon 1,2 Millionen und die Veranstalter blähen die Zahlen sogar auf zwei Millionen auf. Lynce erklärte: Bei 1,5 Millionen Menschen hätte die "32fache Fläche der gesamten Demonstrationsstrecke", mit Menschen bedeckt sein müssen, die mit vier Personen pro Quadratmeter noch sehr eng gelaufen wären, zweifelte die Firma auch die Zahlen der Schwulendemo im Juli an, die sie mit knapp 60.000 bezifferte.

So überdreht wie die Zahlen waren auch die Slogans der Veranstalter. Statt einer Liberalisierung der Abtreibung fordern sie eine harte Repression gegen die Frauen. Abtreibung müsse, wie in der Franco-Diktatur, wieder unter Strafe gestellt werden: "Ja zum Leben, nein zur Abtreibung, nie und in keinem Fall" lautete das Motto. Gefordert wurde "lebenslänglich für Abtreibungsärzte" und "Gefängnis für Frauen, die abgetrieben haben". Angeführt wurden die Demonstranten vom "Forum für die Familien", das konservativsten Kreisen der katholischen Kirche nahe steht. Deren Präsident, Benigno Blanco, sprach von einer ganz großen Demonstration. "Sie zeigt, dass die Gesellschaft gegen Abtreibung ist, dass sie will, dass Mutter und Kind geschützt werde."

Wie scheinheilig ein Teil der Demonstranten argumentiert, vor allem aus dem Umfeld der ultrakonservativen Volkspartei (PP), lässt sich leicht aufzeigen. Deutlich ist, dass sich ganz andere Interessen hinter der Teilnahme von Aguirre verbergen. Sie macht sich Hoffnungen, angesichts der Korruptionsskandale in der PP alsbald Parteichefin zu werden und dann im zweiten Schritt Regierungschefin. Sie lief an der Seite von Ex-Ministerpräsident José María Aznar, der Spanien gegen die massive Ablehnung der Bevölkerung in den Irak-Krieg geführt hatte und dessen PP sich nie vom Putsch und der Diktatur, denen Zehntausende zum Opfer fielen, distanziert hat. Aznar muss sich auch die unangenehme Frage gefallen lassen, warum er bis 2004, als er nach acht Jahren abgewählt wurde, das bisherige Gesetz unangetastet ließ. Denn eine Regelung aus dem Jahr 1985 lässt einen straffreien Abbruch nach einer Vergewaltigung oder bei Missbildungen des Fötus zu. Darin gibt es aber auch eine schwammige Formulierung, die seither die Abbrüche ermöglicht, wenn "eine physische und psychische Gefährdung der Mutter" besteht.

Ob der schwer angeschlagene Zapatero, dessen PSOE in der Wirtschaftskrise versagt, das Gesetz noch durchbringt, muss abgewartet werden. Er hat sich mit dem Entwurf ein Eigentor geschossen, denn auch fern von den reaktionären Kreisen fragen sich viele, ob es korrekt ist, dass 16jährige Mädchen einen Abbruch ausführen lassen können, ohne die Eltern darüber zu informieren. Sie haben in Spanien weder das Wahlrecht, noch dürfen sie ein Bier oder Zigaretten kaufen. Die Konservativen setzen nun an der Frage zum Sturz von Zapatero an, nachdem er bei den letzten Wahlen Niederlagen einstecken musste.