Ausschreitungen und Plünderungen in Nord-London

Die Tottenham-Riots, Eskalation mit mehreren Ursachen

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Unter einer Tory-Regierung gebe es zwangsläufig Straßenunruhen,riots, bemerkt ein Leser im Forum zum News Blog des Guardian über die Ausschreitungen im Norden Londons - in Tottenham und Wood Green - in der Nacht auf heute, die bis in die Morgenstunden anhielten.

Die Verknüpfung mit der Politik drängt sich auf, weil diese Stadtteile die arme und harte Kehrseite Londons zeigen und auch die Kehrseite einer Politik, die hauptsächlich begünstigt, wer ohnehin begünstigt ist. Vor diesem Hintergrund reihen sich die Bilder der Ausschreitungen in Tottenham in eine Galerie ein. Zu dieser gehören auch die Unruhen in den französischen Vorstädten im Jahr 2005, die hauptsächlich mit politischen Ursachen erklärt wurden. Der soziale Brennpunkt Tottenham würde im Französischen ebenfalls als "quartier sensibel" bezeichnet werden, als Problemzone.

Der Auslöser der aktuellen Ereignisse in Nord-London, in deren Folge 26 Polizisten verletzt wurden und 42 Personen verhaftet wurden, steht allerdings in keinem direkten Zusammenhang mit der Regierungspolitik. Geht es nach Berichten britischer Medien, so setzte der Marsch von wütenden 120 Personen zur Tottenhamer Polizeistation den ersten Funken zu den Riots.

Die Demonstranten wollten, so der Guardian, ihren Zorn über den gewaltsamen Tod eines Mannes "Ausdruck verleihen". Der Mann, ein junger Vater von drei Kindern, wurde am Donnerstag bei einem Schusswechsel mit der Polizei erschossen. Die genauen Hintergründe sind noch nicht völlig geklärt. Zum Schusswechsel sei es gekommen, als eine Polizei-Einheit, spezialisiert auf Waffenkriminalität, das Auto angehalten hat. Manche berichten, dass der Mann namens Duggan als erster geschossen habe. Ein Polizist wurde dabei ebenfalls getroffen, hatte aber Glück, weil die Kugel auf sein Funkgerät traf.

Duggans Tod setzte wütende Demonstrationen in Gang. Anfänglich von Familienmitgliedern und Freunden initiert, schlossen sich auch immer mehr "Zornige" an, teilweise bewaffnet, die nach "Gerechtigkeit" verlangten. Bei Auseinandersetzungen mit der Polizei kamen auch selbstgefertigte "Missiles" zum Einsatz. Am vorläufigen Ende der Riots stehen ausgebrannte Gebäude, angezündete Fahrzeuge, darunter ein ausgebrannter Doppeldeckerbus, ein angezündeter Supermarkt, mehrere Geschäfte in Flammen, Plünderungen, Verletzte und Verhaftetete, verängstigte Anwohner - und das Staunen darüber, wie es zu einer solchen Eskalation kommen konnte.

Augenzeugen und Bewohner schildern Szenen, in denen sich die Gewalt zwischen Polizisten und einer aufgebrachten Menge hochschaukelte, dazu Plünderungen, die teilweise gefilmt wurden.

Filmähnliche Szenen, die samstagnachts möglicherweise auch solche anzogen, die ein besonderes Spektakel erleben und beim Riot-Event dabei sein wollten. Ein Parlamentsabgeordneter aus Tottenham erklärt sich die Eskalation zum einen mit der unangemessenen Reaktion der Polizei und damit, dass viele, die an den Ausschreitungen beteiligt waren, von außerhalb stammen: "mindless, mindless people, many of whom were not from Tottenham (...) from miles and miles away to loot and join in the violence."