Braucht auch Portugal neue Rettungsmilliarden?

Obwohl Portugal wieder Wachstum verzeichnet, bekommt es sein Haushaltsdefizit nicht in den Griff, Schäuble stimmt auf Rettungsmilliarden 2.0 ein

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Schon bevor die Prüfer der Troika am Montag zum Prüfbesuch nach Portugal aufgebrochen sind, hat das hochverschuldete Land am Freitag die Euro-Finanzminister beschäftigt. Denn die Lage ist nicht rosig, obwohl das Land am westlichen Rand Europas kürzlich verkünden konnte, mit einem Wachstum von 1,1 Prozent zwischen April und Juni die Rezession nach zweieinhalb Jahren überwunden zu haben. Obwohl auch die Arbeitslosigkeit im Tourismussommer auf 16,5 Prozent gesunken ist, wird Lissabon vereinbarte Sparziele erneut verfehlen.

Das wurde die Tage im Parlament deutlich als die neue Finanzministerin Maria Luis Albuquerque und Vizepremierminister Paulo Portas zwar am Mittwoch erklärten, man wolle die im Rahmen des Rettungsplans verabschiedeten Sparziele einhalten, doch wurde in Lissabon gefordert, erneut die Defizitziele aufzuweichen. Aufhorchen lässt, dass man das Ziel für 2014 auf 4,5 Prozent anheben will, da auch die konservative portugiesische Regierung davon ausgeht, dass das Wachstum nicht nachhaltig ist.

Darauf wiesen auch Eurostat-Daten hin. Denn am Donnerstag gab die europäische Statistikbehörde bekannt, dass die portugiesische Industrieproduktion im Juli gegenüber Juni um 3,2 Prozent eingebrochen ist. Dass das nicht dem Urlaubssommer zuzuschreiben ist, zeigt sich daran, dass sie auch gegenüber dem Vorjahresmonat um2,3 Prozent schrumpfte. Der Rückgang war sogar noch stärker als im Juni. Gegenüber dem Mai nahm die Industrieproduktion nur um 2,8 Prozent ab. Im Mai war sie gegenüber April aber stark um 5,6 Prozent gewachsen. Der starke Mai war damit auch dafür verantwortlich, dass die Wirtschaft im zweiten Quartal erstmals wieder gewachsen ist.

Mit den Eurostat-Zahlen wird deutlich, dass dieses Wachstum vor allem durch viele ausländische Touristen erzeugt wurde. Auch Portugal hat, weil Urlaubländer wie Ägypten und Tunesien ausfallen, einen besonderen Ansturm erlebt. Dass man das Wachstum nicht überbewerten darf, zeigt sich daran, dass im zweiten Quartal das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Jahresvergleich um zwei Prozent geschrumpft ist, also das Land schlechter dasteht als noch vor einem Jahr. Angesicht der Entwicklung kann vorhergesagt werden, dass die Wirtschaft im Herbst und Winter wieder deutlich schrumpfen und die Arbeitslosigkeit wieder steigen wird. Damit erklärt sich, warum die konservative Regierung das Defizitziel in nur einem Jahr zum dritten Mal nach oben verschieben will.

Nun soll 2014 erreicht werden, was für 2012 geplant war. Denn statt das Defizit auf 4,5 Prozent des BIP zu senken, war es trotz einmaliger Privatisierungserlöse 2012 sogar wieder um zwei Punkte auf 6,4 gestiegen. Dass Portugal nun erneut eine Anpassung verlangt, lässt auch vermuten, dass das für 2013 auf 5,5 Prozent hochgesetzte Ziel ebenfalls verfehlt werden dürfte.

So ist wenig verwunderlich, wenn Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble nun auch ein neues Rettungspaket für Portugal ins Gespräch bringt. Hatte er kürzlich schon angedeutet, dass Griechenland ein drittes Rettungspaket benötigt () , erklärte er auf einer Wahlkampfveranstaltung der CDU am Mittwoch in Mönchengladbach, dass auch Portugal auf neue Milliardenhilfen angewiesen sein dürfte, wenn im kommenden Sommer das erste Programm im Umfang von 78 Milliarden Euro ausläuft. Zwar sei Portugal insgesamt "ganz gut unterwegs", meinte Schäuble”, aber "ein bisschen Probleme" werde das Land weiterhin “vielleicht” noch haben, erklärte der Bundesfinanzminister.

Schäuble bereitet die Wähler auf das Unausweichliche vor, denn in Portugal zeichnet sich real eine Schuldenlage ab, die wie in Griechenland unbeherrschbar wird, weshalb sich auch die Eurogruppe erneut mit dem Land befasst. Es gibt Gerüchte, dass nicht nur die EU-Kommission, der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Europäische Zentralbank (EZB) am Montag Prüfer nach Lissabon schicken, sondern neben Troika-Vertretern auch Vertreter des Rettungsfonds (ESM) mitreisen werden. Offenbar sollen Gespräche darüber geführt werden, dass Portugal vorsorglich beim ESM eine vorsorgliche Kreditlinie im Umfang von 10 Milliarden Euro beantragt. Diese Möglichkeit besteht, um Krisensituationen bei der Refinanzierung vorzubeugen.

Die Schulden des Landes sind inzwischen auf etwa 130 Prozent des BIP angewachsen. Sie werden weiter deutlich steigen, wie die Defizit-Erwartungen der Regierung zeigen. Ende des Jahres dürfte Portugal in etwa bei einer Verschuldungsquote angekommen sein, die Griechenland im ersten Quartal 2012 auswies. Da in Griechenland erneut über einen zweiten Schuldenschnitt debattiert wird, ist absehbar, dass auch Portugal zum Schuldenschnitt-Kandidat wird, da der ärmste Staat im Euroraum angesichts der hohen Verschuldung sonst kaum eine Möglichkeit hat, wieder auf die Beine zu kommen.