Elektro-Mobilität ist primär ein kulturelles Problem

Ohne Abschied von der "Rennreiselimousine" geht es nicht

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Die Mobilitätsforscher Weert Canzler und Andreas Knie ( WZB und InnoZ) bezeichnen den Abschied vom Konzept der "Rennreiselimousine", dem großen, teuren, schweren Auto mit Megareichweite als Voraussetzung dafür, dass die Elektromobilität nach dem Hype nicht erneut in Vergessenheit gerät. Es gehe beim Einsatz der Elektromobilität nicht nur um innovative Antriebe und Speicher, sondern um umfassende Mobilitätskonzepte für urbane Regionen. Im ländlichen Raum und auf weite Distanzen würden andere Techniken auch zukünftig im Vorteil sein. Man solle deshalb nicht mit immensem Aufwand versuchen, Elektrofahrzeuge kompatibel zu machen, wofür sie nicht geeignet seien. Vielmehr sollte man sie genau dort einsetzen, wo die Elektrofahrzeuge ihre Vorteile ausspielen können.

Elektromobilität sei nicht primär ein technisches, sondern ein kulturelles Problem. Bei Jüngeren und bei den urbanen Mittelschichten habe das Auto ohnehin schon deutlich an Bedeutung als Statusymbol und in der Alltagsmobilität verloren. Es stünden vielmehr Konsumstile, Freizeitverhalten und mobile Gerätschaften als Ausdruck eines besonderen Lebensstils im Vordergrund. In den modernen Gesellschaften hätten sich so bereits Formen intermodalen Verkehrsverhaltens, also ein pragmatischer Nutzungs-Mix verschiedener Verkehrsmittel - einschließlich Autos - herausgebildet. Darauf könne man aufbauen.

Ein realistisches Gegenkonzept zur Rennreiselimousine sei das vernetzte öffentliche Auto im urbanen Raum. Mit einer Reichweite von 50-100 Kilometern könnten Elektroautos schon heute perfekt als Teil vernetzter Verkehrskonzepte funktionieren. Es fehle jedoch noch an funktionierenden Nutzungskonzepten. Auch die Autohersteller müssten sich daher zu "Mobilitätsanbietern" wandeln. Die Autoren nennen insbesondere Nutzungskonzepte bei denen, wie mit einer elektronischen Verkehrsverbund-Monatskarte, Zugang/Nutzung/Abrechnung aller Verkehrsmittel beinhaltet sei. Die Elektroautos und Pedelecs würden dann die Verkehrsbedürfnisse in stadtnahen und innerstädtischen Räumen erschließen, die vom heutigen Nahverkehr nicht genügend bedient werden. Unterstützt werden sollte solch eine Entwicklung durch klare stadtplanerische Prioritäten in urbanen Räumen und die Unterstützung durch langfristig zuverlässige politische Rahmenbedingungen statt volatiler Förderprogramme.