Monitor erhebt schwere Vorwürfe gegen Ministerpräsident Mappus

Das ARD-Magazin stützt sich in seinem Verdacht, dass bei den S21-Demonstrationen absichtlich eine Konfrontation herbeigeführt werden sollte, unter anderem auf einen Polizei-Whistleblower

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Am 30. September kam es während einer Demonstration gegen die teure Tieferlegung des Stuttgarter Bahnhofs zu einem Polizeieinsatz, bei dem es unter den Teilnehmern zahlreiche Verletzte gab. Ein Rentner verlor dabei auf mindestens einem Auge die Sehfähigkeit. Die baden-württembergische Landesregierung versuchte die Vorfälle damit zu erklären, dass die Demonstranten mit den Gewalttätigkeiten angefangen hätten, indem sie Pflastersteine warfen.

Später musste sie allerdings zugeben, dass dies nicht der Wahrheit entsprach und verwies stattdessen auf Videoaufnahmen eines Mannes, der aus den Reihen der Demonstranten Pfefferspray auf einen Polizisten-Brustpanzer sprühte, und eines nicht näher erkennbaren Gegenstandes, der gegen einen Wasserwerfer flog. Den Timecode hatte die Polizei auf den auf ihrer Website zur Verfügung gestellten Aufnahmen geschwärzt. Bei der Pressekonferenz am 5. Oktober, bei der diese Aufnahmen gezeigt wurden, war diese Schwärzung allerdings noch nicht erfolgt. Hier, so stellte Monitor fest, zeigte der Timecode bei den Ereignissen 14 Uhr und 15 Uhr 50. Das ist insofern bemerkenswert, als das gewaltsame Vorgehen der Polizei bereits um 12 Uhr 48 begann - also deutlich vor den Ereignissen, die sie nachher zur Rechtfertigung aufführte.

Auf die Frage, warum man die am 30. September vorgenommene Absperrung der Flächen nicht frühmorgens ansetzte, wo keine Schülerdemonstration angekündigt war, meinte Polizeipräsident Siegfried Stumpf auf der Pressekonferenz, zu dieser Zeit hätte man den Berufsverkehr gestört. Monitor filmte darauf hin die Straße um 6 Uhr morgens und stellte fest, dass um diese Zeit kaum ein Auto dort fährt.

Siegfried Stumpfs ehemaliger enger Mitarbeiter Günther Rathgeb, ein leitender Polizeidirektor im Ruhestand, äußert in dem Bericht die Überzeugung, dass das Vorgehen am 30. September der 35 Jahre lang entwickelten und gepflegten "Stuttgarter Linie" derart widerspricht, dass er es sich nur mit massivem Druck auf den Polizeipräsidenten erklären kann - selbst wenn dieser öffentlich das Gegenteil versichert. Auch der ehemalige Leiter der baden-württembergischen Polizeihochschule, Thomas Feltes, beurteilt den Einsatz in der Sendung als "von Anfang an auf Konfrontation [und] Gewalt" angelegt, weshalb er eine politische Vorgabe für die einzig plausible Ursache hält.

Die Trumpfkarte der Monitor-Mitarbeiter Achim Pollmeier, Kim Otto, Ralph Hötte und Alexander Milanés ist ein vor dem Ereignis verfasster Brief eines angeblichen Angehörigen des Führungs- und Einsatzstabes der Polizei an die Landtagsfraktionen von SPD und Grünen, in dem eine Änderung des polizeilichen Vorgehens ankündigt wird. Diese, so das Schreiben, habe das Ziel zu "dokumentieren, dass die Teilnehmer gewaltbereit sind", und zu "verhindern, dass weiterhin eine große Anzahl von Menschen teilnimmt". Außerdem wolle sich Ministerpräsident Mappus damit als "Law-and-Order-Mann" für die Landtagswahl positionieren. Experten bestätigten dem Magazin, dass der Autor über seine Behauptungen zur Strategie hinaus über "Insider-Wissen" verfügte und deshalb wahrscheinlich wirklich in Polizeikreisen zu suchen ist.