"Hohe Symbolkraft"

Der Spiegel spekuliert wegen der Verwendung eines gängigen Waffentyps über einen Zusammenhang zwischen NSU und Bonner Salafisten

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Am Wochenende meldete der Spiegel, die Polizei habe in der Wohnung des unlängst in Bonn festgenommenen Salafisten Marco G. eine illegale Pistole der Marke Česká mit dem Kaliber 7,65 Millimeter gefunden. Das, so betonte man, sei der gleiche Typ wie ihn die rechtsextremen NSU-Serienmörder benutzten - und nun würden die Ermittler rätseln, ob die Wahl dieser Waffe mit angeblich "hoher Symbolkraft" eine bewusste Bezugnahme auf die NSU-Morde oder ein Zufall sei. Andere Medien nahmen die Meldung in einer eher nachrichtenarmen Zeit dankbar auf.

Dass es sich in Europa bei einer illegalen Waffe um eine Česká handelt, ist jedoch in etwa so außergewöhnlich wie die Nutzung von Google als Suchmaschine oder die von Facebook als Sozialem Netzwerk: Die Aktiengesellschaft Česká Zbrojovka ("Böhmische Waffenfabrik") ging aus einem 1919 in Pilsen errichteten Pistolenwerk hervor, das Polizei und Militär belieferte. Seit den 1930er Jahren macht sich das Unternehmen einen Namen in der Fertigung von Sportmotorrädern. Trotzdem ist die Produktion von Handfeuerwaffen für Behörden, Soldaten und den Export auch heute noch ein wichtiger Unternehmenszweig.

Böhmen, das Herkunftsland der Waffe, war schon zu K.u.K.-Zeiten die Waffenschmiede Österreich-Ungarns und die Tschechoslowakei lieferte später an die Armeen und Sicherheitsbehörden des gesamten Ostblocks. Speziell Česká-Pistolen konkurrierten mit den russischen Makarow-Handfeuerwaffen als Standard im Warschauer Pakt. Nach dem Ende des Kalten Krieges wanderte ein beträchtlicher Teil der Handfeuerwaffen dieser Armeen in den Schwarzhandel. Deshalb gibt es keine Handfeuerwaffe, die so für illegalen Besitz steht, wie die Česká.

Welche Waffen die legal verbreitetsten sind, wird in den öffentlich zugänglichen Statistiken der meisten Länder nicht erfasst. In US-Foren schätzt man dafür an erster Stelle meistens die Handfeuerwaffen des österreichischen Herstellers Glock. Der Umsatz des 1963 gegründeten Unternehmens, das in Deutsch-Wagram und Ferlach rund 240 Arbeitskräfte beschäftigt, beträgt nach eigenen Angaben etwa 100 Millionen Euro jährlich. Andere häufig genannte Marken sind Walther, Beretta, Sig Sauer, Smith & Wesson, Colt und Remington.