Merkels gemeine Freude

Die Bundeskanzlerin gerät mit ihrer Äußerung, die Freude über den Tod Bin Ladens bekundete, auch bei Parteikollegen in die Kritik

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Christlich steht im Briefkopf der Partei, deren Vorsitzende Angela Merkel einen Satz geäußert hat, der an "Dead or Alive"-Steckbriefe und den Wilden Westen denken lässt: "Ich freue mich darüber, dass es gelungen ist, Bin Laden zu töten."

Eine spontane Gefühlsäußerung, die bei einigen ein "leichtes Frösteln" (Schirrmacher) auslöst und Distanz: Parteikollege Siegfried Kauder hätte das so nicht formuliert, sagte er einer Passauer Zeitung: Für ihn sind das Rachegedanken, die zum Mittelalter gehören, "die man nicht hegen sollte".

Der Tod eines Menschen könne für einen Christen "niemals Grund zur Freude" sein, hieß es am Montag aus dem Vatikan, vom Sprecher des Papstes (siehe Vatikan hegt gemischte Gefühle zum Tod bin Ladens). Das gelte auch, "wenn er ein Gewalttäter war", bekräftigte der deutsche Militärbischof Overbeck die Linie der Katholiken noch einmal.

Nun dürften die Köpfe der Berater Merkels rauchen bei der Überlegung, wie man die aus einem beinahe kindlichen Überschwang geäußerte Aussage wieder reparieren kann. Zwar gelten Gefühlsäußerungen bei Politikern, die auf populäre Stimmungen achten, als irgendwie authentisches Beweismittel dafür, dass man kein kalter Technokrat ist, aber in manchen Momenten zeigt sich dann doch, wie dürftig wahre Empfindungen sein können. Was daran liegen könnte, dass sie einer fortwährenden Vereinfachung ausgesetzt sind, wie sie zu Zeiten geübt wird, wo Erfolg und der ihn begleitende Rausch das meiste andere zur Seite drängt.

Übersehen hat Merkels in ihrem Satz zu Bin Ladens Tod, dass in ihm etwas steckt, das ihn gemein macht mit der Freude über getötete Feinde, die anderswo und deutlicher ausgelebt, schieres Entsetzen auslöst. Das Gschmäckle, das der Satz hat, verstärkt sich durch die jüngst nachgeschobenen Details aus den USA zur Tötungsaktion. Demnach soll Bin Laden gar nicht mit einer Waffe zur Wehr gesetzt haben.

Sein Tod war also allem Anschein nach willkürlich - ein "Akt der Staatsräson", wie es der SZ-Kommentator und Jurist Heribert Prantl formuliert: Man wollte Bin Laden töten. Ob dies mit dem Völkerrecht in Einklang stünde, so Prantl, "war wohl nicht die Sorge der Amerikaner".

Rechtlich zu fassen, sei diese Tötungsaktion nur mit den Argumenten des sogenannten Feindstrafrechts, meint Prantl. Offiziell gibt es dieses Feindstrafrecht nicht; es werde in konservativen politischen Kreisen diskutiert.

"Rechtsgarantien, die für normale Beschuldigte gelten, sind hier außer Kraft gesetzt. Wer Feind ist, ist in diesem Denksystem keine rechtliche, sondern eine politische Frage."

Die zugrunde liegende Empfindung dafür ist auch aus Merkels Satz herauszulesen.