Eiertanz in Berlin um Hochtief-Übernahme

Während in Berlin wieder einmal Chaos im Regierungslager herrscht, straucheln die ACS-Pläne zur Hochtief-Übernahme

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Zunächst schien es, als könnte der spanische ACS-Konzern die Übernahme des deutschen Bauriesen Hochtief recht einfach durchziehen. Doch die Strategie, mit welcher der gesunde deutsche Konzern den Versuch der angeschlagenen Spanier abwehren will, zeigt Wirkung. Auch in der Bundesregierung hat das übliche Herumgeeiere begonnen, das eigentlich an jeder wichtigen Entscheidung zu beobachten ist. Grund dafür ist, dass sich die Belegschaft und Firmenleitung gemeinsam gegen die Übernahme durch ACS ausgesprochen haben. Sie befürchten, dass Hochtief zerlegt wird, damit sich der Milliardenschuldner sanieren kann und es zum massiven Abbau von Arbeitsplätzen in Deutschland kommt.

Nachdem Hochtief auch Unterstützung vom Hauptverband der Deutschen Bauindustrie (HDB) bekommen hat, begann das Gerangel und Tauziehen in der gespaltenen schwarz-gelben Truppe. Denn der HDB-Geschäftsführer Michael Knipper habe in einem Brief an das Wirtschaftsministerium eine rasche Änderung des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes angemahnt und auf "Schutzlücken" hingewiesen, berichtet Spiegel. Für Bewegung hatte auch der SPD-Chef Sigmar Gabriel gesorgt, der sich am vergangenen Donnerstag mit dem Beschäftigen solidarisierte und die Bundeskanzlerin zum Handeln aufforderte.

Die Bundeskanzlerin ließ am Wochenende ihren Sprecher verkünden: "Hochtief ist ein wichtiges Unternehmen der deutschen Bauindustrie". Steffen Seibert sprach auch von einem "Aushängeschild deutscher Technologiekompetenz", weshalb die Regierung daran interessiert sei, "dass die industriellen Strukturen von Hochtief und auch der Sitz von Hochtief in Essen bleiben".

Danach ließ man verlauten, man prüfe eine Gesetzesänderung, "ob und inwieweit im Lichte der aktuellen Ereignisse im Übernahmerecht weitere Pflichten eingeführt werden sollten", erklärte ein Regierungsvertreter gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. Das deutsche Gesetz mache Übernahmen einfach und man wolle sich an Regelungen orientieren, mit denen andere europäische Staaten Übernahmen heimischer Firmen erschwerten, wie in Spanien, Großbritannien, Frankreich, Italien, Österreich und Irland. Man erinnere sich auch nur daran, wie Spanien einst schnell Gesetze änderte, um die Übernahme des Energieversorgers Endesa durch den deutschen E.ON-Konzern zu verhindern. Der Energieaufsicht wurde plötzlich ein Veto-Recht für Übernahmen aus dem Ausland zugeschustert, was Spanien auch ein Verfahren vor der EU-Kommission einbrachte.

Das hörte sich gar nicht mehr nach dem Kurs an, den zunächst Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) vorgegeben hatte. Eine Einmischung in den ACS-Übernahmeversuch hatte er "grundsätzlich" abgelehnt, denn er sei der Ansicht, dass Unternehmen generell ihre Verhandlungen "allein und erfolgreich führen können". Dass ACS seine Beteiligung an Hochtief von knapp 30 Prozent auf über 50 Prozent erhöhen kann und das Ruder im Konzern übernimmt, lehnte man auch in der CDU zunächst nicht ab. Darüber müssten die "Manager und die Aktionäre" entscheiden und nicht die Politik, meinte auch Fraktionsvize Michael Fuchs.

Doch nun rudert Berlin wieder zurück. Die Bundesregierung plane derzeit keine Gesetzesänderung, erklärte am Montag nun Merkels Sprecher in Berlin. "Eine Änderung des Übernahmerechts ist unwahrscheinlich", sagte Seibert. Zwar werde weiterhin geprüft, ob zusätzliche Pflichten ins Gesetz aufgenommen werden, aber die erste Prüfung habe ergeben, dass Änderungen nicht sinnvoll sind. Die Bundesregierung sehe im Fall ACS keine Regelungs- oder Rechtslücke. Die Rolle der Regierung will er als die eines informierten Beobachters sehen.

Wahrscheinlich hat der Kurs auch damit zu tun, dass der von Florentin Pérez geführte ACS-Konzern schon in Stolpern kommt und man in Berlin hofft, gar nicht eingreifen zu müssen. Der eher als Präsident des maroden Fußballclubs Real Madrid bekannte Pérez, hat jetzt eine Kapitalerhöhung um bis zu sechs Milliarden Euro für ACS angekündigt, um "die Flexibilität für jede mögliche Situation zu erhöhen", erklärt der Konzern. Pérez sieht ein, dass die Übernahme nicht so einfach wie gedacht wird. Beschlossen werden soll der Vorgang am 19. November. Die Abgabefrist zur Verlängerung eines offiziellen Angebots bei der deutschen Finanzdienstleistungsaufsicht (Bazin) hat sich ACS genehmigen lassen, womit wohl im Januar eine Entscheidung fällt. Diese Kapitalerhöhung macht das bisherige Angebot zum Aktientausch, wonach Aktionäre für fünf Hochtief-Papiere acht ACS-Aktien bekommen, noch unattraktiver, weil die nach der Kapitalerhöhung noch weniger wert sind. Die Spanier reagieren aber darauf, dass auch Hochtief eine Kapitalerhöhung anstreben könnte, um dem verschuldeten Konzern die Übernahme weiter zu verteuern.

Eine weitere Hürde zieht die australische Hochtief-Tochter Leighton hoch. Die gilt als Perle des Konzerns und trägt fast 80 Prozent zum Hochtief-Gewinn bei. Leighton fordert, dass ACS für den nicht bei Hochtief liegenden Minderheitsanteil ein vollfinanziertes Barangebot, inklusive Aufschlag, vorlegen müsse, womit ebenfalls eine Verteuerung einhergeht. Das fordern auch deutsche und spanische Kleinaktionäre gemeinsam. Die australischen Behörden wurden im Hinblick auf das unerwünschte Übernahmeangebot gebeten, die Rechte der Minderheitsaktionäre zu schützen. Die Aussichten stehen nicht schlecht, dass Australien im ACS-Spiel nicht nach der Pfeife von Pérez tanzt und die lukrative Firma schützen wird. Und man darf auch erwarten, dass Berlin seine Meinung wieder ändern wird, wenn sich das Blatt wendet und die ACS-Pläne bei Hochtief Erfolg zeitigen könnten.