Fotovoltaik ausgebremst?

Bundesminister legen Vorschläge für radikale Einschnitte bei der Solarförderung vor. Nur der Bundesrat kann noch das Schlimmste verhindern

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Norbert Röttgen und Philipp Rösler haben sich geeinigt. Am heutigen Donnerstag legten Umwelt- und Wirtschaftsminister gemeinsam eine Tabelle vor, die die beschleunigte und vorgezogene Absenkung der Einspeisevergütungen für neue Solaranlagen festschreibt. Die Vergütungen gelten wie gehabt jeweils für 20 Jahre; maßgeblich für den gewährten Satz ist das Datum des Netzanschlusses der Anlage.

Demnach soll schon ab dem 9. März die Vergütung je nach Anlagengröße und -art um 20,2 bis 24,9 Prozent abgesenkt werden. Bis zum Jahresende wollen die Minister danach im Monatstakt um jeweils 0,15 Cent pro Kilowattstunde (ct./KWh) kürzen. Ab dem 1. Januar würden die Preise für Solarstrom dann zwischen 12,15 und 18,15 Ct./KWh liegen. Außerdem haben sie sich in einer weiteren Vereinbarung darauf verständigt, die Vergütungssätze künftig nicht mehr über das Erneuerbare Energiengesetz (EEG), sondern auf dem Verordnungswege und einvernehmlich zwischen den beiden Ministerien zu regeln.

Eigentlich wäre der nächste Degressionsschritt, dass heißt die Absenkung der Vergütungssätze, zum 1. Juli fällig und würde 15 Prozent betragen. Selbst damit käme der angeblich so teure Sonnenstrom bereits in die Größenordnung der Preise, die für den Strom aus den von der Bundesregierung favorisierten Offshorewindanlagen gezahlt wird. Doch während Fotovoltaik bisher kräftig ausgebaut wurde und auch der Bau von Windkraftanlagen an Land zügig läuft, gibt es auf dem Meer ständig neue Probleme und Verzögerungen. Das setzt zusammen mit der nun angestrebten Absenkung eine großes Fragezeichen hinter die Bereitschaft der Bundesregierung zum Umbau der Stromversorgung.

Entsprechend hagelt es Proteste. An verschiedenen Standorten der Solarwirtschaft demonstrierten am Donnerstag Beschäftigte gegen den "Sun Blocker Rösler". Die Deutsche Umwelthilfe findet die Vorschläge der Minister [http://www.duh.de/pressemitteilung.html?&tx_ttnews[tt_news]=2792 "fantasiefrei"] und weist darauf hin, dass der nun vorgeschlagene PV-Zubau in einem mittleren Korridor im Jahr 2022 um rund 10.000 Megawatt niedriger als in dem erst vor wenigen Wochen von der Bundesnetzagentur genehmigten Szenariorahmen für den Stromnetzausbau liege. Der Bundesverband Solarwirtschaft [http://www.solarwirtschaft.de/presse-mediathek/pressemeldungen/pressemeldungen-im-detail/?tx_ttnews[year]=2012&tx_ttnews[month]=02&tx_ttnews[day]=23&tx_ttnews[tt_news]=14549&cHash=aa123d941d7e52d96f735cea181063e7 spricht] von einem Solarausstieggesetz, und die Industriegewerkschaft Metall sieht die "Arbeitsplätze in der Solarindustrie leichtfertig aufs Spiel" gesetzt.

Röttgen macht aus dem Ziel, die Solarenergie auszubremsen, keinen Hehl: "Mit unserem Vorschlag zur Fotovoltaik-Förderung wollen wir die Zubaumenge und die Kosten wirksam begrenzen", wird der CDUler in einer von beiden Ministerien verbreiteten gemeinsam Presseerklärung zitiert. Auffallend ist, dass der 2010 verabschiedete Nationalen Aktionsplan Erneuerbare Energien in den Vereinbarungen der beiden Ministerien unerwähnt bleibt. Darin hatte die Bundesregierung sich gegenüber der EU-Kommission verpflichtet, bis 2020 einen jährlichen Ausbau der Fotovoltaik von 3,5 Gigawatt (GW) anzustreben. Das entspricht einem Ziel von knapp 52 GW. Derzeit dürfte der Bestand irgendwo zwischen 25 und 27 GW liegen.

Auffällig ist außerdem die knappe Frist. Die Forderungen der beiden Minister müssen nun in eine EEG-Novelle eingearbeitet werden. Bis zum 9. März wird diese kaum durch den Bundestag zu bringen sein. Realistischer ist da ein Termin zum Ende des Monats. Aber auch dann wird das Gesetz wahrscheinlich noch nicht sofort in Kraft treten können. Der Bundesrat ist zwar nicht zustimmungspflichtig, kann aber dennoch den Vermittlungsauschuss der beiden Parlamentskammern anrufen, was aufschiebende Wirkung hätte. Gut möglich, dass der Widerstand der Bundesländer, der zum Teil auch von CDU-Landesverbänden getragen wird, den Plänen der beiden Minister noch den einen oder anderen Zahn ziehen kann.

Was wird dann aus dem Datum 9. März? Vermutlich wird es in der EEG-Novelle stehen, mit der Absicht, es rückwirkend gelten zu lassen. Ob derlei vor Gericht Bestand haben kann, ist offen. Wer seine Anlage zum Beispiel Ende März unter der Voraussetzung der dann noch gültigen EEG-Fassung in Betrieb nimmt, könnte vor Gericht auf Vertrauensschutz klagen. Aber vielleicht spekulieren die Minister darauf, dass sich potenzielle Anlagenbesitzer nicht auf die mit einem Gerichtsverfahren verbundenen Ungewissheiten einlassen wollen. In der Vergangenheit hatten nämlich Versuche, die Vergütungen außerplanmäßig zu kürzen, stets in den Monaten vor den neuen Fristen zu einem Boom im Ausbau geführt, um noch die jeweils höheren Vergütungen mitzunehmen.