CDU nominiert Alice Schwarzer als Bundespräsidenten-Wahlfrau

Die Feministin bekam von Bundesfamilienministerin Kristina Schröder vorher 150.000 Euro für ein Archiv in Aussicht gestellt

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Am 18. März tritt im (dafür kostenaufwendig umgebauten) Bundestags-Plenarsaal die Bundesversammlung zusammen, um einen neuen Bundespräsidenten zu wählen. Dass dieser Joachim Gauck heißen wird, steht aufgrund der Mehrheitsverhältnisse praktisch fest: Die eine Hälfte der Bundesversammlung stellen nämlich die 620 Abgeordneten des Bundestages. Die andere setzt sich aus Wahlleuten zusammen, die von den Parteien nominiert werden, die in den Parlamenten der Bundesländer sitzen.

In der Vergangenheit nutzten die Parteien solche Versammlungen, um Zwischenwahlkampf zu machen, indem sie ein paar Sportler und andere Prominente als Wahlleute nominierten. Für die Union stimmte in der Vergangenheit unter anderem der Fußballspieler Karl-Heinz Rummenigge, für die SPD der Handballtrainer Heiner Brand, für die FDP der IOK-Vizepräsident Thomas Bach und für die Grünen der Schriftsteller Feridun Zaimoglu. Je exzentrischer der jeweilige Prominente, desto unsicherer ist freilich, dass er die Stimme auch wirklich dem von der Nominierungspartei aufgestellen Kandidaten gibt. Die von der CSU nominierte Schrill-Fürstin Gloria von Thurn und Taxis wählte 2009 beispielsweise Gesine Schwan, obwohl der Unionskandidat Horst Köhler hieß.

Für den 18. März nominiert nun die nordrhein-westfälische CDU einer Focus-Meldung zufolge die Feministin Alice Schwarzer. Angeblich kam man auf die Streiterin gegen Pornografie, weil diese die Bundesfamilienministerin Kristina Schröder öffentlich als "souverän" lobte, nachdem ihr die CDU-Politikerin jene 150.000 Euro für ihr Feminismus-Archiv zusicherte, die die rot-grüne Landesregierung in Düsseldorf vorher gekürzt hatte.

Aufgrund der überwältigendenden Mehrheit für den "Konsenskandidaten" Joachim Gauck dürfte es für die Union leicht verschmerzbar sein, wenn sich Schwarzer bei der Wahl kurzfristig entscheidet, den ehemaligen Leiter der Stasi-Unterlagenbehörde nicht zu wählen, weil er ein Mann ist, und ihr die Linkspartei möglicherweise eine Kandidatin zur Verfügung stellt. Die Chance, dass Schwarzer der Union neue Wählerschichten öffnet, bewertet man offenbar höher als dieses überschaubare Risiko.

Allerdings könnte Schwarzer der CDU nicht nur potenzielle Anhänger zuführen, sondern auch welche abspenstig machen. Auch deshalb, weil sie zuletzt durch ihre Gerichtsreportertätigkeit für die Bild-Zeitung und einen nicht namentlich gekennzeichneten Text in der von ihr herausgegebenen Zeitschrift Emma Zweifel daran aufkommen ließ, inwieweit sie rechtsstaatliche Grundlagen wie die Unschuldsvermutung akzeptiert, wenn es um Auseinandersetzungen zwischen Männern und Frauen geht.