Türkisches Parlament erlaubt Armee militärische Operationen auf syrischem Gebiet

Die Opposition zu Erdogans Antrag spricht von einem "Kriegsmandat"

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Das türkische Parlament hat mehrheitlich einer Vorlage zugestimmt, die im Rahmen des Artikels 92 der Verfassung, der Regierung für die Dauer eines Jahres das Mandat erteilt, türkische Truppen "ins Ausland zu entsenden". Der Vorschlag wurde von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan eingereicht und bezog sich deutlich auf aktuelle Vorfälle: Kriegsgefahr wächst an türkisch-syrischer Grenze.

Erdogan beschuldigte in seiner Begründung seines Antrags die Streitkräfte des Nachbarlandes, dass sie "trotz mehrfacher Warnungen im Rahmen militärischer Operationen Angriffe auf türkisches Territorium durchgeführt" hätten. Die nationale Sicherheit des Landes sei gefährdet, weswegen die Notwendigkeit von "Vorsorgemaßnahmen" und schnelles Handeln gegen Bedrohungen gestiegen sei.

Vertreter der sozialdemokratischen CHP ("Republikanische Volkspartei"), die gegen das Mandat stimmte, verurteilten die Regelung als "Kriegsmandat". Manche forderten die Evakuierung des Grenzortes Akçakale, das gestern mit Granaten angegriffen wurde.

Kritisiert wurde von der Opposition zudem, dass die Abstimmung unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfand. Erdogans Stellvertreter, Beşir Atalay, rechtfertigte das Mandat gegenüber diesen Vorwürfen damit, dass es sich nicht um ein Mandat zur Kriegsführung handele, sondern um eine "Abschreckungsmaßnahme". Ebenso äußerte sich ein Berater Erdogans, der beteuerte, dass die Türkei keinen Krieg mit Syrien beabsichtige.

Eine laute Erklärung

Die Verabschiedung des Mandats ist ein laut auftretender politischer Akt, der die Spannungen zwischen beiden Ländern nicht gerade zu lindern versucht. Die danach geäußerten abwiegelnden Äußerungen ändern daran nichts. Immerhin hatte die türkische Regierung ein solches Mandat nicht für nötig befunden, wenn es um andere militärische Aktionen auf fremden Territorium, die man etwa im kurdischen Norden Iraks durchgeführt hat, ging. Das Mandat, das sich eindeutig gegen Syrien richtet, wurde eingebracht, nachdem sowohl der UN-Sicherheitsrat wie auch die Nato auf Drängen der Türkei nach weiteren Schritten gegen Syrien nicht in der Weise eingegangen ist oder eingehen konnte, die sich Erdogan erhofft hatte.

Dabei ist bislang noch unklar, wer die Granaten auf den türkischen Grenzort abschoss. Zwar behauptet Erdogans Stellvertreter, Vizepremier Atalay, dass Syrien die Verantwortung für den Angriff mit fünf Toten in Akçakale übernommen und sich entschuldigt habe, doch ist dazu noch keine entsprechende offizielle Äußerung der syrischen Regierung bekannt. Auf der Seite des syrischen Nachrichtendienstes Sana ist darüber nichts zu finden.

"Spezielle Bedingungen im Grenzgebiet"

Dort wird lediglich Informationsminister Omran al-Zoubi zitiert, wonach eine Untersuchung über den Beschuss im Gange sei. Darüberhinaus bekundete der Regierungsvertreter sein Beileid für die Opfer. Al-Zoubi verwies darauf, dass im Grenzgebiet "spezielle Bedingungen" herschen, wegen der Präsenz von "undisziplinierten terroritischen Gruppen mit unterschiedlichen Agenden und Identitäten".

Tatsächlich soll es auf der syrischen Seite in der Nähe der Grenze zur Türkei in jüngster Zeit auffallend häufig zu Konflikten unter den bewaffneten islamistischen Gruppen mit unterschiedlicher Ausrichtung und Agenda gekommen sein, berichtet al-Akhbar. Ob und wie die Kämpfe unter den Gruppierungen, von denen sich manche der FSA angeschlossen haben - wobei die konkrete Verbindung freilich auch nur eine vage Behauptung sein kann - mit den Angriffen auf Ziele in der Türkei in Zusammenhang zu bringen sind, ist bislang ungeklärt und spekulativ.