"Sei schlau, verlass den Kirchenbau"

Bundesweite Aktion der religionskritischen Giordano-Bruno-Stiftung zu Kirchenaustritt

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

"Austritt zum Hasenfest - Trau dich", unter diesem Motto hat sich am Gründonnerstag eine Gruppe von Kirchenkritikern vor dem Münchner Kreisverwaltungsreferat an der Ruppertstraße eingefunden. "Sei schlau, verlass den Kirchenbau", ist auf einem Schild zu lesen. Mit dabei ist auch Reiner Statz, Geschäftsführer der regionalen Giordano-Bruno-Gruppe. Ihr Namensgeber, der Geistliche aus dem 16. Jahrhundert, der wegen seiner Ansichten über die Unendlichkeit des Universums auf dem Scheiterhaufen endete, weist die Richtung der öffentlichen Aktion: Es geht um einen "Kollektiven Kirchenaustritt", zum ersten Male eine bundesweite Aktion in verschiedenen Städten, darunter neben München auch in Mainz, Mannheim, Trier und Wiesbaden.

Es ist 14.00 Uhr und immer wieder stoßen Austrittswillige zur Gruppe hinzu. Pro Tag kehren im Kreisverwaltungsamt durchschnittlich 30 Personen der Kirche den Rücken, heute werden es wohl mehr sein. 2011 wurden in München 9028 Kirchenaustritte gezählt.

"Mit Ihrem Austritt trennen Sie sich von Ihrer Bindung an die Kirche, die Ihnen vielleicht schon lange nichts mehr bedeutet; Sie trennen sich auch von der Verpflichtung zur Steuerzahlung an die Kirche. Nach dem Kirchenaustritt werden Sie ein Gefühl der Befreiung empfinden, wie viele Ausgetretene vor Ihnen. Wir freuen uns, dieses Ereignis mit Ihnen feiern zu können", heißt es in dem Aufruf zur "Kirchenaustrittskampagne 2012".

Die erste kollektive Aktion fand 2011 in Mainz statt, freilich eine "eher spontane Facebook-Aktion", so die Mainzer Giordano-Bruno-Gruppe. Die damalige Aktion stieß auf harsche Reaktion der Kirche, in der Mainzer Bistumszeitung "Glaube und Leben" übte Kardinal Karl Lehmann scharfe Kritik. Die Kirchenzugehörigkeit sei eine "personal und persönlich zu verantwortende Sache". Ein kollektiver Austritt habe mit der Achtung vor dem Gewissen des einzelnen Menschen nichts zu tun. Der Bischof forderte die Christen zu einem "wehrhaften Dialog" mit Religionskritikern auf.

Hinter dem Aufruf zum Kirchenaustritt steht unter anderem die religionskritische Giordano-Bruno-Stiftung, die bundesweit mit Regionalgruppen vertreten ist, darunter in Berlin-Brandenburg, Bochum, Dresden oder Tübingen. Die Stiftung vertritt einen "Evolutionären Humanismus": "Evolutionäre Humanisten treten entschieden für die Werte der Aufklärung, für kritische Rationalität, Selbstbestimmung, Freiheit und soziale Gerechtigkeit ein", heißt es dazu in einem Manifest. Danach wird der Mensch allerdings nicht mehr als "Krone der Schöpfung" gesehen, sondern "als unbeabsichtigtes Produkt der natürlichen Evolution, das sich nur graduell, nicht prinzipiell, von den anderen Lebensformen auf diesem 'Staubkorn im Weltall' unterscheidet."

Gegründet wurde die Stiftung 2004 von dem ehemaligen Möbel-Unternehmer Herbert Steffen, der aus einem erzkatholischen Milieu stammt. Das vormalige Mitglied des Diözesanrates der Diözese Trier verkaufte Ende der 1990er Jahre seine Firma, trat aus der Kirche aus und förderte den Kirchenkritiker Karlheinz Deschner.

Die Stiftung versteht sich als Vertretungsorgan "säkularer Interessen", lebten doch in Deutschland mittlerweile mehr konfessionsfreie Menschen als Katholiken oder Protestanten, die aber weder in der Politik noch in den Medien die Beachtung fänden, die sie verdienten. Dabei versteht sich die Stiftung nichts als religionsfeindlich, sondern als religionskritisch. 2010 war die Zahl der Kirchenaustritte von Katholiken vor allem auch in Bayern stark angestiegen und lag nach Presseberichten bundesweit bei 180.000, einer Zunahmen von 40 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Grund dafür war unter anderem das Bekanntwerden von Missbrauchsfällen in kirchlichen Einrichtungen.