Occupy Hong Kong

Die Occupy-Bewegung zieht ihre Kreise

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Auch in der autonomen chinesischen Finanzmetropole Hongkong haben Protestierende im dortigen Geschäftsviertel Central einen Platz besetzt, und zwar das Erdgeschoss der Hongkong and Shanghai Banking Corporation, die besser unter ihrem Kürzel HSBC bekannt sein dürfte. Die im hauptsächlich britischen Besitz befindliche Bank gehört zu den weltweit größten Geldhäusern.

Wie auch zumindest in einigen deutschen Städten bei den Aktionen am letzten und vorherigem Wochenende sind viele der Beteiligten Demo-Neulinge, die sich nie zuvor in ihrem Leben an Straßenprotesten beteiligt haben. Das geht zumindest aus einem Bericht hervor, den die Nachrichtenagentur presenza veröffentlicht hat. Unter den beteiligten Organisationen war beim Auftakt der Proteste auch eine Gruppe, die auf die zum Teil untragbaren Arbeitsbedingungen bei Apples Vertragspartnern in den benachbarten chinesischen Provinzen aufmerksam machte.

Interessant an den Hongkonger Aktionen ist, dass die wirtschaftliche Ausgangslage in der Stadt eine ganz andere als in Nordamerika und Westeuropa ist. Dort ist von Wirtschaftskrise nichts mehr zu spüren. Die Auswirkungen der Finanzkrise waren in der Region nur kurzfristig zu spüren und sind in weiten Teilen Ost- und Südostasiens längst überwunden. Entsprechend ist die Arbeitslosigkeit in Hongkong mit offiziell 3,2 Prozent niedrig. Sogar einen gesetzlichen Mindestlohn hat der traditionell extrem wirtschaftsliberal regierte Stadtstaat inzwischen eingeführt.

(Hongkong gehört seit 1997 zur Volksrepublik China, hat jedoch eine eigene Quasi-Verfassung, Währung und Wirtschaftspolitik. Die politischen Freiheiten sind dort wesentlich größer als auf dem chinesischen Festland. Allerdings setzt sich das lokale Parlament nur zum Teil aufgrund von freien Wahlen zusammen.)

Entsprechend scheint die Besetzergruppe inzwischen eher auf einen harten Kern zusammengeschrumpft zu sein. Diese kann aber immerhin auf die extreme soziale Ungleichheit in Hongkong verweisen. Auch die hohen Immobilienpreise werden kritisiert, die in einer Stadt, in der Mietwohnungen eher die Ausnahme sind, viele Familien stark belasten. Mag sein, dass außerdem die Erfahrung der Asienkrise 1997/98 vielen Menschen noch in den Knochen steckt, die seinerzeit in Hongkong praktisch über Nacht die Spargroschen des Mittelstandes verdampfen ließ.