Auf zum letzten Gefecht!

Image-Kampagnen, wie sie der deutsche Außenminister plant, werden am Auseinanderbrechen der Euro-Zone wenig ändern

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Während sich Deutschlands Politiker in beredtem Schwiegen üben, Linksintellektuelle sich ihr Idealbild von einem einheitlichen Europa zurechtschustern und die Politik zu weit reichenden Verfassungsänderungen drängen, sinkt das Vertrauen der deutschen Bevölkerung in den Euro stetig.

Laut einer Umfrage des Allensbach Instituts für Demoskopie ist zwar immer noch eine Mehrheit für den Verbleib Deutschlands in der Euro-Zone. Unter den politisch Interessierten soll der Anteil sogar noch erheblich höher sein. Nur ein Drittel spricht sich danach dagegen aus, während ca. ein Fünftel noch unentschlossen ist.

Doch wer sich der Mühe unterzieht, die Kommentare dazu in den Foren diverser Portale zu lesen, dem zeigt sich ein völlig anderes Bild. Die Miss- und Anti-Stimmung ist dort nicht nur überaus groß, man gewinnt auch rasch den Eindruck, dass die Leute lieber heute als morgen der ungeliebten Gemeinschaftswährung ade sagen würden.

Ungeliebt von Anfang an

Schon deswegen könnte es ein zweischneidiges Schwert sein und zum Bumerang werden, wenn Minister der unterschiedlichsten Fraktionen andeuten, sie wollten das Volk baldmöglichst über Souveränitätsverzichte des Bundestages abstimmen lassen, oder wenn Parteivertreter der Meinung sind, mit der Forderung nach Vergemeinschaftung der Schulden Bundestagswahlen gewinnen zu können.

Geliebt wurde der Euro bekanntlich nie. Immer schon wurde er als "Teuro" betrachtet. Auch hat er weder zum Wunderheiler getaugt, noch ist er dazu geworden. Und zu einer "Angleichung der Lebensverhältnisse" hat der Euro erst recht nicht geführt. Im Gegenteil: Der Euro war von Anfang an ein Eliten-Projekt, das der Bevölkerung mit wohlfeilen Sprüchen über den Kopf gestülpt worden ist. Berechtigte Einwände und Bedenken von Fachleuten gegen seine rasche Einführung, von denen es etliche gegeben hat, wurden großmütig ignoriert.

Spalten statt einen

Mit der Einführung des Euro sollte die europäische Einigung laut Helmut Kohl "unumkehrbar" werden. Doch diese Spekulationsblase ist, wie so manch andere der letzten Jahre, geplatzt. Dass er nun in breiten Bevölkerungsschichten zum "Hassobjekt" geworden ist und zum Spaltpilz der ganzen Union zu werden droht, wollen die meisten Politiker und Intellektuelle aber nicht wahrhaben.

Sie tun weiter so, als ob es keine Alternativen dazu gäbe, als ob weiter auf Gedeih und Verderb auf den Euro gesetzt und deswegen die Grundlagen und Grundwerte der europäischen Verträge (No bail-out Klausel; no taxation without representation) weiter ausgehöhlt werden müssten.

Kollaps steht bevor

Mittlerweile sehen das aber nicht mehr alle so. Zumindest in Europa. Vereinzelte Politiker denken nicht mehr nur hinter vorgehaltener Hand, sondern laut und in den Medien über ein baldiges Kollabieren der Euro-Zone nach. Erst im Juli hatte die finnische Finanzministerin Jutta Urpilainen den Verbleib Finnlands in der Euro-Zone infrage gestellt.

Finnland sei nicht mehr bereit, für die Schulden anderer aufzukommen, sagte die Sozialdemokratin. Gegen den weiteren Ankauf von Staatsanleihen der Krisenländer durch den Euro-Rettungsschirm ESM werde Finnland sein Veto einlegen. "Wir sind auf alle Szenarien vorbereitet, auch auf einen Ausstieg aus dem Euro", fügte Urpilainen hinzu.

Zwangskorsett der Völker

Vorige Woche hat der finnische Außenminister Erkki Tuomioja nun nochmals vor einem solchen Kollaps gewarnt. Zwar wisse man nicht genau, wie sich ein solches Szenario abspielen werde, aber längst habe man Notfallpläne in der Schublade, wie man auf diese "Ausnahmesituation" reagieren werde.

Dass seine Regierung nicht die einzige ist, die gegen einen solchen Crash Vorsorge trifft, sondern auch in den anderen Euro-Kapitalen bereits an Strategien gearbeitet wird, um das mögliche Auseinanderbrechen abzufedern, bestätigte auch die SZ.

Noch schärfer ging während der Woche Timo Soini, Chef der euroskeptischen Oppositionspartei "Wahre Finnen", mit der Gemeinschafswährung ins Gericht. Der Euro sei eine "Zwangsjacke, der Millionen Menschen in Europa in Not" brächte und die "Zukunft Europas" gefährde. Niemand traue sich das "auszusprechen", niemand wolle "der erste sein, der aus der Euro-Zone aussteigt und die Schuld auf sich zieht".

Kluges Finnland

Auch wenn der finnische Außenminister seine Äußerungen auf politischen Druck relativieren und sie als "missverständlich" bezeichnen musste, hat es Finnland freilich etwas besser als andere.

Nicht nur, weil das Land nach wie vor von den großen Ratingagenturen mit Triple A bewertet wird und der Schuldenstand derzeit lediglich 49 Prozent der Wirtschaftsleistung beträgt, einem der niedrigsten in Europa. Sondern auch, weil die Regierung so klug und weise war, sich exklusiv Sicherheiten für ihre Hilfszusagen hat geben lassen für den Fall, dass Rückzahlungen aus Athen oder Madrid ausbleiben.

Schuldbeladenes Deutschland

Andere war da weniger weise und vorsorgend. Allen voran der formidable Geldgeber Deutschland. Obzwar es aus der Einführung des Euro bislang kaum wirtschaftlichen Nutzen ziehen konnte, konnte es dank seiner schuldbeladenen Vergangenheit und dank seines notorisch "schlechten Gewissens", das ihn damals schon zur Aufgabe der D-Mark zwang, nicht so fordernd und kühl betriebswirtschaftlich handelnd auftreten.

Allein dem deutschen Steuerzahler wird das griechische Abenteuer nach Schätzung von manchen Experten mindestens 80 Milliarden Euro kosten, die das Land abschreiben muss, wenn Griechenland im Herbst in Insolvenz geht und die Euro-Zone verlassen wird.

Wir sind Europa

Daran werden noch so gut gemeinte Image-Kampagnen, wie sie der deutsche Außenminister plant, wirkungslos verpuffen. Bekanntlich wollte der FDP-Politiker mit vier noch lebenden deutschen Außenministern, mit Klaus Kinkel, Hans-Dietrich Genscher, Joschka Fischer und Frank-Walter Steinmeier (Walter Scheel musste aus gesundheitlichen Gründen absagen), gegen den wachsenden Euro-Skeptizismus im Land ein Zeichen setzen. Er wollte ein glühendes Bekenntnis zu Europa liefern und für das "Lebensmodell Europa" werben.

"Wir sind Europa" sollte die Werbekampagne ursprünglich heißen. Ein Stiftungsnetzwerk wollte Prominente dafür gewinnen, Gesicht und Namen für ein gemeinsames und solidarisches Europa herzugeben. Der Bundespräsident sollte und wollte die Schirmherrschaft übernehmen. Dazu wollte man eine große Plakataktion machen, die bundesweit vertrieben werden sollte. Doch noch bevor sie starten konnte, erweist sich die Initiative ganz offenbar als Rohrkrepierer.

Ich bin Europa

Erst sagte der SPD-Fraktionsführer wegen eines Todesfalles ab. Dann, als das Auswärtige Amt den geplanten Fototermin verschieben wollte, verweigerte der Grünenpolitiker seine Zustimmung und klinkte sich aus dem Ansinnen aus. Der emsige Verfasser von Zeitungskommentaren pro Europa wollte sein Gesicht keiner PR-Aktion leihen, die allein der Verbesserung des Image des deutschen Außenministers diene, so Fischer in der SZ.

Nicht nur an Geld oder Ignoranz, auch an persönlichen Animositäten (bekanntlich können sich die beiden nicht leiden) und kleinkariertem Denken können best gemeinte Aktionen scheitern. Schade darum ist es jedenfalls nicht. Und Tränen darüber vergießen muss man auch nicht.

Mit solch naiven und politisch durchsichtigen Kampagnen wird man dem Euro auch nicht mehr auf die Beine helfen. Von "Master-Plänen", wie sie der beleidigte "Staatsmann" Fischer wieder mal angemahnt hat, ganz zu schweigen. Zu unterschiedlich sind die Kulturen und Traditionen, Mentalitäten und Interessen, Sprachen und Wirtschaftsleistungen der Nationen.

Nicht das Ende

"Das Ende des Euros", auch das hat der finnische Außenminister Tuomioja gegenüber dem "Daily Telegraph" betont, muss aber nicht gleichbedeutend mit dem "Ende der EU" sein. Zumal der EU noch zehn weitere Länder angehören, die nicht Mitglied der Euro-Zone sind. Auch ohne den Euro funktionieren Austausch, Zusammenarbeit und Kommunikation bestens.

Einen Rückfall in Nationalismus oder Krieg, ins Mittelalter oder in die Zeit vor dem WK I, wie ständig gemalt wird, dieses Menetekel muss ebenfalls niemand befürchten. Eher ist zu erwarten, dass der Nationalismus an Fahrt gewinnt, Spaltung und wirtschaftliches Gefälle zunehmen, wenn so weitergewurstelt wird wie bisher, und die Lösung nur in der Aufgabe von Souveränitätsrechten gesucht wird.

Unterschiedliche Geschwindigkeiten

Nichts ist "alternativlos" oder einer binären Logik unterworfen. Zumal die Völker nicht fremdbestimmt werden möchten, weder von Brüssel oder von Straßburg aus. Eigenständig und souverän wollen sie über sich und ihr Leben entscheiden. Erst durch Neid und Missgunst entstehen bekanntermaßen Ressentiments, auf Seiten der Empfänger genauso wie auf Seiten der Geber.

Eine Aufspaltung der Euro-Zone, eine Trennung der Nordländer von den Krisenländern des Südens ist vermutlich die wahrscheinlichste, beste und einzige Option, um Währung und Union irgendwie noch zu retten und einem gesamten Rückfall in nationale Währungen vorzubeugen. Doch vor einem solchen Schritt eines "Euro der zwei Geschwindigkeiten" drücken sich die Verantwortlichen noch herum.

Obwohl ein "Ende mit Schrecken" einem "Retten ohne Ende" allemal vorzuziehen ist, trauen sie sich nicht, diese Wahrheit offen und ehrlich auszusprechen. Dabei wäre es dazu längst an der Zeit.