Kein Geld zum Abwracken von US-Atommeilern

Für das Abwracken und Entsorgen von Atomkraftwerken in den USA fehlt den Betreibern die Kohle.

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Die US-Aufsichtsbehörde Nuclear Regulatory Commission (NRC) ist in einer Untersuchung zu dem Ergebnis gelangt, dass den US-Energiekonzernen das Geld fehlt, um alte Atomkraftwerke zu entsorgen. Betroffen sind insgesamt 26 Reaktoren an 18 Standorten. Das ist jede vierte Anlage des Landes. Die NRC hat sich mit den Betreibern in Verbindung gesetzt, die nun erklären müssen, wie sie die Rückstellungen für Anlagenstilllegungen aufbringen wollen. Die Frage werde in den nächsten Wochen mit den Betreibern diskutiert, heißt es in einer Presseerklärung des NRC.

Ein Teil des Problems ist, dass die Konzerne einen erheblichen Teil der geplanten Rücklagen in Aktien und anderen Wertpapieren investiert hatten, doch deren Werte sind infolge der Finanzkrise stark gefallen. Betroffen sind auch die Branchenführer Exelon, Entergy, Constellation Energy und FPL, die der Verpflichtung nicht nachkommen, ausreichend finanzielle Mittel während der Laufzeiten zu bilden, um die Anlagen bei Bedarf sicher demontieren zu können. Zwar gibt die NRC die Fehlbeträge nicht an, doch das Wall Street Journal bezifferte sie pro Anlage auf 12 bis 204 Millionen US-Dollar (ohnehin werden nur lächerliche Kosten von etwa 450 Millionen Dollar pro Meiler veranschlagt).

Da lohnt sich ein Blick auf die Angaben, welche die Schweizer Atomkraftbetreiber für die Stilllegung und Entsorgung ihrer fünf Atomkraftwerke angeben. "Die gesamten Entsorgungskosten für alle fünf AKWs in der Schweiz belaufen sich auf 15,45 Milliarden Franken. Darin enthalten ist auch die Kontrollphase während 50 Jahren nach Abschluss der Einlagerung." Allein für den Rückbau der fünf Kernkraftwerke und die Zwischenlagerung wird mit 1,9 Milliarden Franken schon mehr Geld pro Atomkraftwerk angesetzt, als in den USA für die gesamte Entsorgung genannt wird. Zwar wird für das Abwracken eines Atomkraftwerks in der Schweiz etwa zehnmal soviel Geld wie in den USA angesetzt, doch auch das soll dann nur für die "Kontrollphase" von 50 Jahren reichen. Es handelt sich aber bekanntlich um Müll, der zehntausende Jahre strahlen wird.

Angesichts der völlig ungeklärten Entsorgungsfrage blieben, so schreibt die Financial Times Deutschland, zwei Optionen: "Brachliegen lassen oder Laufzeiten verlängern. In beiden Fällen, warnen Kritiker, würde das Sicherheitsrisiko deutlich erhöht". Liegt also seit langem in der ungeklärten Finanzierungsfrage, von fehlenden Endlagern gar nicht zu sprechen, der Schlüssel dafür, dass Atomkraftwerke in den USA bis zu 60 Jahre laufen sollen.

Es ist ein Armutszeugnis, dass die Betreiber nicht einmal die geforderten Rücklagen aufbringen können. Man muss sich fragen, ob überhaupt genug Geld in die alterschwachen Anlagen investiert wird, um deren Sicherheit einigermaßen zu gewährleisten. Diese Diskussion hat hoffentlich Auswirkungen auf Obamas angekündigte Wende in der Energiepolitik. Ohnehin liefern die Atomkraftwerke nur 20 % des Strombedarfs und in dem sonnen- und windreichen Land ist es leicht möglich, diese Menge durch Erneuerbare Energien zu ersetzen, wie der Vorstoß mit dem Solar-Strom aus Afrika gerade deutlich gemacht hat. In den USA wäre die Umsetzung solcher Projekte sogar deutlich einfacher.

Allerdings will der US-Staat erneut der Dinosauriertechnologie mit fast 20 Milliarden Dollar beispringen, damit 2011 mit dem Bau neuer Atomkraftwerke begonnen werden kann, die dann ab 2015 ans Netz gehen sollen. Hier haben sich Nicolas Sarkozys gute Beziehungen zum Ex-Präsident Bush ausgezahlt. Der staatliche französische Energiekonzern EDF und der Atomkonzern Areva sind schon an US-Projekten beteiligt.