Das deutsche Fräulein beeindruckt

Die unschuldig wirkende Lena punktet im Eurovision Song Contest

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Jetzt hat sie also überraschend den Eurovision Song Contest gewonnen, das deutsche Fräulein Lena. Ist aber nicht ganz so verwunderlich, auch wenn aus manchen Ländern keine einzige Stimme gekommen ist. Lena verzaubert Europa, heißt es etwa.

Lena ist jung, einigermaßen hübsch, manieriert, aber gleichzeitig nicht vom Show-Geschäft formatiert. Der Aufstieg ging zu schnell, um schon prägend wirken zu können. Noch ist sie trotz entschiedenem Karrierewillen irgendwie daneben. Das macht sie erfrischend und unkonventionell, was auch den Feuilletons imponierte.

Ganz klar, auch wir haben uns die Eurovision eine ganze Zeit lang angetan, unterschied sie sich von allen anderen Konkurrenten. Sie gab einen Schein von Spontaneität, verzichtete demgemäß auf eine große Bühnenshow, wirkte gegenüber den puppenhaften Inszenierungen individuell und auch trotz aller inzwischen erworbenen Routine unangepasst.

Eigentlich kein schlechtes Markenzeichen für Deutschland, das derzeit von einer sehr angepassten, sehr strategisch operierenden, aber blassen und inhaltsleeren Kanzlerin regiert wird. Warum allerdings musste das Fräulein, das allerdings auch keine scharfen Kanten besitzt, irgendwie jenseits dieser Welt lebt und als angepasste, wenn auch vom Erfolg überraschte junge Frau auftritt, unbedingt ihren Schlussauftritt mit der deutschen Fahne inszenieren?

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Nun wird man sagen: Was soll's, ist halt ganz normales Nationalbewusstsein, das wir uns lange nicht mehr gegönnt haben, aber mit Fußball und Militär in Afghanistan endlich wieder einmal zur Schau stellen können. Lena ist schließlich von den Deutschen ins Rennen geschickt, aber von den übrigen Nationen gewählt worden. Da hätte ihr doch auch ihr persönlicher Erfolg reichen können – oder sie hätte die Europafahne nehmen können. Aber nun auch tatsächlich einverstanden zum deutschen Fräulein zu werden? Sie wollte den Erfolg, jetzt hat sie ihn, auch getragen von einer nationalen Welle in Deutschland. Dass sie das sofort und bedingungslos für sich instrumentalisiert, zeigt ihre "Individualität", die vor allem in nonkonformer Konformität besteht.