Frankreich fürchtet Hadopi-Verbot durch EU

Nach dem Bericht einer schwedischen Zeitung versuchte die französische Vertretung in Stockholm, Einfluss auf eine schwedische Abgeordnete auszuüben.

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Der französischen Regierung ist es sehr ernst, wenn es um nicht-lizenziertes Filesharing von urheberrechtlich geschützten Daten geht, dafür nimmt man es dann mit anderen Regeln nicht so ernst - dieser Schluss lässt sich aus einem Vorfall ziehen, der wegen seiner grenzüberschreitenden Forciertheit verblüfft und wahrscheinlich nicht nur im diplomatischen Milieu und in der Redaktion der schwedischen Tageszeitung Svenska Dagbladet. Wie die Zeitung am Montag berichtete, hat die französische Botschaft versucht, die schwedische Reichstagsabgeordnete Camilla Lindberg in ihrem Sinne zu beeinflussen.

Lindberg, Mitglied der liberalen Partei Folkpartiet liberalerna verfügt über einigen Einfluss in Fragen, die auch Frankreichs Interessen betreffen: in der EU stehen diese Woche die Schlussverhandlungen zum Telekom-Paket an. In Schweden wird dies von verschiedenen Seiten sehr ernstgenommen, und auch die französische Regierung ist très engagé. Es geht nämlich bei den Verhandlungen auch um die Frage, wie es um die rechtlichen Grundlagen für Internetsperren bei Urheberrechtsverstößen im Netz bestellt ist.

Ihren Standpunkt dazu hat die französische Regierungsmehrheit zuletzt vor einer Woche unmissverständlich klar gemacht: Harte Strafen für Urheberrechtsverletzung per Filesharing. Die Schwedin Lindberg hat in Schweden einen Ruf als unabhängiger Geist, der sich für ein freies Internet, gegen Überwachungsbestrebungen und für bürgerliche Freiheitsrechte einsetzt. Ihr Ruf dringt offensichtlich bis nach Frankreich vor. Dort, so die Webseite rue89, sei sie durch ihren Einsatz für The Pirate Bay aufgefallen: Lindberg protestierte gegen die Entscheidung, wonach der Hoster von The PirateBay den Zugang zur Site zu blockieren.

Da Lindberg sich auch an Debatten über das Telekom-Paket aktiv beteiligt und angeblich über größeren Einfluss im EU-Milieu verfügt, wollte die franzöische Regierung über die diplomatische Vertretung in Schweden offensichtlich Klartext mit der Liberalen sprechen - immerhin könnte das Telekom-Paket möglicherweise mittelbar auch das kürzlich nach einem langem Marathonlauf durch die Instanzen endlich abgesegnete Internetsperren-Gesetz stürzen. Wie Lindberg gegenüber der schwedischen Zeitung angab, meldete sich ein Mitglied der französischen Vertretung bei ihr, um ihr "in aller Dringlichkeit" zu erklären, weshalb ihre Sichtweise "zu vereinfachend" sei. Für Lindberg, die als Expertin auf dem Gebiet Telekommunikation und Internet gilt, eine ziemliche "Fehlleistung" seitens des französischen Emissärs.

Laut rue89 dementiert die Botschaft in Stockholm den Versuch der Einflussnahme nicht grundsätzlich; deren Sprecher will die Begegnung nur ins rechte Licht rücken:

"Der Sinn dieses Treffens bestand lediglich darin, sie über unsere Sichtweise zu informieren, das Internet betreffend und die Art und Weise, wie man es reglementiert. Wir haben nicht versucht, ihre Sicht in irgendeiner Weise zu beeinflussen."