Amtsgericht München sieht Aufruf zum Whistleblowing als Straftat

Ein Friedensbewegter wurde zu 60 Tagessätzen verurteilt, weil er vor dem Sitz des Leopard-2-Herstellers Krauss-Maffei Wegmann ein Flugblatt verteilte

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Das Münchner Unternehmen Krauss-Maffei Wegmann stellt unter anderem den Panzer Leopard 2 her. Der soll in einer Menge von 66 bis 800 Stück auch an das totalitäre Wahabitenkönigreich Saudi-Arabien verkauft werden, dessen salafistische Staatsideologie von den Philippinen bis nach Mali für Blutvergießen sorgt. Dies empörte den Heidelberger Hermann Theisen so sehr, dass er ein Flugblatt verteilte, in dem er die Menschenrechtssituation in Saudi-Arabien und dessen Hilfe bei der Niederschlagung eines Aufstands der schiitischen Bevölkerungsmehrheit in Bahrain informierte.

Das an Krauss-Maffei-Wegmann-Arbeitnehmer gerichtete Flugblatt enthielt jedoch auch einen Aufruf zu "Sabotagehandlungen gegen den geplanten Waffendeal" und forderte dazu auf, "betriebliche Prozessabläufe" öffentlich zu machen. In einer darunter angebrachten "Rechtsbehelfsbelehrung" machte Theisen darauf aufmerksam, dass das Befolgen seiner Ratschläge möglicherweise zur "Einleitung von Strafverfahren" führen könne.

Am Donnerstag verurteilte das Amtsgericht München den Heidelberger dafür zu einer Geldstrafe in Höhe von 60 Tagessätzen, die ihn insgesamt 2400 Euro kosten sollen. Der Auffassung des Amtsrichters nach hatte Theisen mit den Flugblättern öffentlich zum nach § 17 UWG verbotenen Verrat von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen aufgefordert und damit gegen § 111 StGB verstoßen.

Der Argumentation des Angeklagten, dass die Lieferung von Leopard 2-Panzern an ein Regime wie das in Saudi-Arabien gegen Grundsätze zum Waffenexport verstoße und Krauss-Maffei Wegmann deshalb "keinen Schutz für illegale Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse für sich in Anspruch nehmen könne", wollte das Amtsgericht nicht folgen. Theisen gab gegenüber Telepolis an, Berufung gegen das Urteil einlegen zu wollen und vor das Landgericht zu ziehen. Seiner Ansicht nach bedeutet die noch nicht rechtskräftige Entscheidung eine "gefährliche Beeinträchtigung der Meinungsfreiheit".