Geplante EU-Vereinfachung von Pharmaforschung provoziert Gegenwehr

Bundesrat formuliert rund ein Dutzend Einwendungen in Beschluss für Regierung

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In Deutschland regt sich Widerstand gegen die von der Europäischen Kommission angestrebte Liberalisierung der Arzneimittelforschung ( EU will wieder forschen wie vor 1946). Ein über 100 Seiten fassender Entwurf für eine neue Verordnung hatte in den vergangenen Wochen EU-weit für Aufsehen gesorgt. Denn das Exposé zielt auf nicht weniger als die Abschaffung der derzeitigen wissenschaftsethischen Kontrolle von Arzneimitteltests ab. Nicht nur in Deutschland müssen bislang Pharmakonzerne das Votum von Ethikkommissionen abwarten, bevor sie ihre Mittel in sogenannten Phase-I bis -III-Studien an Menschen testen. In dem Haupttext der Verordnung anonymer EU-Bürokraten kommen die Begriffe "Ethik" oder "Ethikkommission" nicht einmal mehr vor.

Bei einer Erstprüfung im Gesundheitsausschuss des Bundestages waren Ende September von mehreren Teilnehmern Bedenken geäußert worden. Offiziell hatte das Gremium inhaltlich aber nicht über den Entwurf einer neuen EU-Studienverordnung entschieden. Erst wenn die EU eine Entscheidung treffe, werde man sich inhaltlich mit dem Papier befassen, hieß es aus dem Büro des EU-Berichterstatters der CDU/CSU-Bundestagsfraktion im Gesundheitsausschuss, Stephan Stracke. Allerdings sei der Ausschuss schon jetzt "von vielen Seiten auf die Bedenken angesprochen worden".

Auch der Bundesrat sieht Nachbesserungsbedarf. Die Länderkammer forderte die Bundesregierung Mitte des Monats auf, den grundrechtlich gebotenen Schutz von Probandinnen und Probanden in dem EU-Regelwerk weiter fortzuschreiben. Dies gelte insbesondere für "ausreichende Berücksichtigung der nationalen Ethikkommissionen und bei der Einbeziehung nicht einwilligungsfähiger Patienten". Zahlreiche Experten hatten darauf hingewiesen, dass nach dem EU-Entwurf vor allem Medikamententests an Kindern - unter Umständen auch ohne Einbezug der gesetzlichen Vertreter - vereinfacht würden.

In der ersten Stellungnahme formulierte der Bundesrat insgesamt 14 Einwendungen. So solle die Bundesregierung unter anderem darauf achten, dass auch bei der Ausgliederung von Studienteilen an Drittinstitutionen die strengen Regeln für klinische Prüfungen weiterhin bestehen. Die Fristen zur Kontrolle durch Ethikkommissionen und vergleichbarer Gremien müsse "zumindest verdoppelt werden".

"Die Stellungnahme des Bundesrates zum Vorschlag der EU-Kommission einer Verordnung zu klinischen Prüfungen von Arzneimitteln ist aus fachlicher Sicht sehr zu begrüßen", sagte gegenüber Telepolis der Leiter der Geschäftsstelle der Berliner Ethik-Kommission, Christian von Dewitz. Die zwingende Einbeziehung von unabhängigen Ethikkommissionen in das Genehmigungsverfahren und die Wahrung hoher rechtlicher und ethischer Standards sei unabdingbar, um grundrechtlichen und qualitativen Anforderungen weiterhin gerecht zu werden und das Ansehen dieser Forschung in der Öffentlichkeit zu fördern, so von Dewitz weiter.