Für "die Jugend": Militärrat wechselt Regierungsspitze aus

Premier Schafik muss gehen. Damit ist eine weitere Forderung der Protestbewegung erfüllt. Der Militärrat hofft auf ein Ende der Demonstrationen am Tahrir Platz

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Der ägyptische Aufstand gegen das "Regime Mubarak" sieht seine nächste Forderung erfüllt. Premierminister Ahmed Schafik, von Mubarak nominiert und bestellt, musste gehen. Seine Demission wurde von der Macht im Land, den Generälen des Militärrats (siehe auch "Meet the Generals"), angenommen und wahrscheinlich auch durchgesetzt. Die Freude innerhalb der Protestbewegung darüber ist groß; sie wird bestätigt vom Auftreten Schafiks, der sich am Ende in einem Fernsehinterview noch einmal als Mann der korrupten miesen alten Schule präsentierte.

Der neue Regierungschef, Essam Scharaf, der kurz - vom Juli 2004 bis Dezember 2005 - als Verkehrsminister unter Mubarak arbeitete, hat dagegen die Sympathie namhafter Vertreter der Protestbewegung. So berichtete die Zeitschrift al-Masry-al-Youm gestern, dass die National Association of Change, die in ElBaradei ihren prominenten Vertreter hat, und eine Koalition, zusammengesetzt aus Protagonisten der Koalition "der Jugend der Bewegung des 25.Januars", daran denkt, die Freitags-Demonstrationen am Tahrirplatz künftig auszusetzen - nach einer letzten feierlichen Demonstration am heutigen Freitag.

Allerdings gibt es, davon unabhängig, eine Opposition, die weiter am Tahrirplatz demonstrieren will, weil der Rücktritt von Schafik eben nur eine Teilforderung ist. Solange noch andere Politiker aus dem Mubarak-Regime an wichtigen Schalthebeln sitzen, politische Gefangene aus der Mubarak-Zeit inhaftiert sind, die Korruption nicht entschieden bekämpft und der Ausnahmezustand aufrechterhalten werde, gebe es Gründe genug, jeden Tag oder zumnindest allfreitaglich auf die Gegenwart der Opposition am Platz in Kairo aufmerksam zu machen.

Die Muslimbruderschaft, ElBaradei nahestehend, und die Bewegung des 6ten April sollen die Nomination von Essam Scharaf, Professor für "civil engineering" an der Universität Kairo, begrüßt haben. Scharaf hat einigen Kredit dadurch, dass er als Verkehrsminister als pflichtbewusst galt - ohne blinden Gehorsam gegenüber Mubarak zu zeigen. Er kündigte nach einem Skandal bei der Eisenbahn, so heißt es, nachdem ihm klar wurde, dass er die Verhältnisse nicht werde zum Besserén ändern können. Inwieweit er es jetzt kann, ist die Frage. Kolportiert wird seitens des Militärrats, dass "die Jugend" gehört würde, wenn es darum geht, die neuen neuen Minister aufzustellen. Klingt fast wie aus einem Bilderbuch zur sanften Revolution. Man wird sehen.

Kontraste gibt es schon jetzt. So wird etwa Nabil el-Esaby als neuer Innenminister ins Spiel gebracht. Nach Informationen von Hossam el-Hamalawy hat der Mann ein mubarak-regime-typisches Vorleben:

"Ezaby oversaw the crackdown on the Cairo Spring 2006 [...] Ezaby also orchestrated 'Black Wednesday' 25 May 05, where women activists were sexually assaulted by thugs in front of Press Syndicate"

Zu den schöneren Bildern des neuen Ägyptens passen dagegen Gerüchte von den Twitterspatzen, denen zufolge Scharaf heute als neuer Regierungschef einen Auftritt am dem Tahrirplatz haben wird; schon während der Proteste soll Scharaf einen Anti-Mubarak-Marsch der Universitätsprofessoren auf den Tahrirplatz angeführt haben.

Der neue Ministerpräsident dürfte aber auch manche Ängste und Ungewißheiten schüren. In einem Interview aus dem letzten Jahr nahm er Stellung zu Israel. Dort hat er sich angeblich gegen eine "Normalisierung der Beziehungen" mit dem Nachbarland ausgesprochen

"In an interview with the Arabic daily al-Masry al-Youm, he said that he does not personally support academic or scientific cooperation with Israel because of the continued imprisonment of Palestinians in Israeli jails and 'our fundamental differences with them.'"

Das ist allerdings eine Formulierung, die nicht eindeutig genug ist, um auf einen neuen außenpolitischen Kurs hinzuweisen.

Ergänzung

In einem gestern bei al-Ahram erschienenen Porträt des neuen Ministerpräsidenten wird noch einmal betont, dass Schraf eine Haltung bezieht, die sich gegen eine "Normalisierung" gegenüber Israel ausspricht, ohne dass auch hier Konkretes genannt wird:

"Sharaf is well known to hold a strong stance against normalization with Israel, insisting that the Israeli-Palestinian crisis needs to be resolved before there is any economic cooperation between Egypt and Israel, including scientific research."

Mehr dazu demnächst.