Kanadische Polizei sieht rot

Seit Wochen protestieren Aktivisten in Montreal gegen neue, repressive Polizeigesetze. Die Beamten antworten mit Massenarrest, verhaften einen Pandabären und verheddern sich im Internet

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Wieder hat die Polizei in der Millionenstadt Montreal Hunderte von Demonstranten eingekesselt und verhaftet. Zwar wurden letzten Freitag keine Polizisten angegriffen, auch Sachbeschädigungen waren nicht verzeichnet: Den 279 Festgenommenen wird lediglich vorgeworfen, an einer illegalen Versammlung teilgenommen zu haben. Trotzdem sollen alle eine Strafe von 490 Euro zahlen.

Nach heftigen Studentenprotesten vom letzten Jahr mit mehreren Zehntausend Teilnehmern hat die Stadtregierung ein neues Gesetz erlassen. Das sogenannte "Bylaw P-6" soll der "Vorbeugung einer Verletzung des öffentlichen Friedens, der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und der Nutzung öffentlichen Eigentums" dienen. Es schreibt unter anderem vor, dass Demonstrationen angemeldet werden müssen. Veranstalter sollen die Polizei zuvor mit einem genauen Verlauf der Route versorgen. Jede Maskierung ist verboten.

Für die erstmalige Übertretung der Vorschriften kassiert die Polizei 637 kanadische Dollar (rund 480 Euro). Der Bundesstaat Quebec hat eine ähnliche Regelung verabschiedet. Die Strafen bemessen sich dort nach dem Status der Betroffenen: Anführer von Organisationen müssen mehr bezahlen, alle Bußgelder verdoppeln sich beim zweiten Mal.

Dass die Stadtregierung in Montreal die Regelung mit harter Hand durchsetzen will zeigte sie im März. Zum Jahrestag der Studentendemonstration hatte die Polizei vor einem Monat 294 Demonstranten verhaftet. Der Protest richtete sich auch gegen das umstrittene neue Gesetz. Nach Aussagen von Teilnehmern griff die Polizei fünf Minuten nach Beginn der Versammlung ein. Bereits bei dieser Demonstration wurde gegen die meisten Festgenommenen das umstrittene neue Bußgeld verhängt.

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Anarchopanda am 22. Mai 2012. Bild: JustinLing/CC BY 2.0

Unter den Verhafteten war der sogenannte "Anarchopanda": Ein Professor der Philosophie, der mit einem Pandakostüm auf vielen Demonstrationen unterwegs ist. Der Bär wurde zum Maskottchen der Studentenproteste, die sich gegen immens gestiegene Studiengebühren zur Wehr setzten. Entsprechend lautstark war der Aufschrei, als die Nachricht über seine Festnahme durchsickerte. Auch der "Anarchopanda " wird nun wegen Vermummung zur Kasse gebeten.

Einen ähnlich absurden Fall verfolgte die Berliner Polizei vor sechs Jahren, als bei einer queeren Demonstration eine Person mit einem Büstenhalter vor dem Gesicht aus der Menge gezerrt wurde.

Auch das Internet ist nicht sicher vor der kanadischen Polizei. Als Reaktion auf das neue "Bylaw P-6" hatten Aktivisten ein Stencil verklebt, auf dem der Polizeichef mit einer Kugel im Kopf zu sehen ist. Zwar ist unklar, wer für das Gemälde verantwortlich zeichnet. Eine 20-jährige Frau wurde jedoch verhaftet, nachdem sie ein Foto des Kunstwerks auf ihrer Instagram-Seite veröffentlichte. In Interviews weist sie jede Beteiligung an dem Stencil zurück, pocht aber darauf dass ein Posting des Fotos legal ist. Mittlerweile ist das Bild im Internet hunderte Male reproduziert, auch Tageszeitungen spiegeln es in entsprechenden Artikeln. Die Frau wurde dennoch nur nach hohen Auflagen aus der Untersuchungshaft entlassen: Sie soll sich dem Polizeichef nicht nähern. Trotzdem darf sie sich maximal einen Kilometer von einer Polizeiwache entfernen. Das inkriminierte Bild hat sie mutig bei Instagram belassen, ihre Verhandlung beginnt am 17. April.