000056 – Im Geheimdienst seiner Majestät

Halbwahrheiten, Lügen und Zensur im Luxemburger Geheimdienstprozess

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Im Prozess über die geheimnisvolle Bombenserie im Großherzogtum Luxemburg von Mitte der 1980er Jahre versuchte jemand, sich mit Unwahrheiten zu verteidigen: der Verteidigungsminister. Der dementiert nämlich nach wie vor den Vorwurf, die Luxemburger Stay Behind-Leute seien in Sabotage ausgebildet worden. Diese Darstellung einer rein nachrichtendienstlichen Verwendung steht jedoch im Widerspruch zu einem bereits 2008 im Geheimdienstuntersuchungsausschuss zur Sprache gekommenen und nun von Radio Luxemburg geleakten Dokument über ein Trainingscamp, an dem zwei SREL-Agenten „G.G.“ und „H.H.“ im April 1977 teilnahmen. Dem Papier "000056" zufolge wurden die Geheimagenten seiner Majestät sehr wohl operativ ausgebildet, etwa im Schießen, für Helikopteraktionen und - im terroristischen Umgang mit Sprengstoff. So wurden die Spezialagenten ausdrücklich im Bau von Sprengfallen angeleitet – wie man sie etwa in Asselscheuer fand, wo Unbekannte eine Sprengladung mit Stolperdraht-Zündung installierten. (Aus juristischen Gründen wird auf direkte Verlinkung der Dokumente verzichtet, da diese Bombenbauanleitungen enthalten.)

Angesichts dieser den Behörden bekannten Sachlage hätte sich eine Untersuchung hinsichtlich der Bombenanschläge gegen den SREL aufgedrängt. So fragte denn auch Strafverteidiger Dr. Gaston Vogel heute im nach einwöchiger Pause fortgesetzten Prozess, weshalb es insoweit keine Ermittlung gegeben habe. Im Termin legte der Anwalt laut Protokollen des Luxemburger Worts und Tageblatts auch auch das bereits auf Telepolis besprochene Dokument vor, in welchem die Planung eines Besprechungstermins für Stay Behind-Übung unter internationaler Beteiligung auf Luxemburger Boden von 1987 dokumentiert ist. Agent „Guido“ könne der Vater des Zeugen Kramer gewesen sein. Auch insoweit müsse ermittelt werden.

Ermitteln wollte die Richterin allerdings vielmehr die Herkunft des Dokuments und merkte an, dass dieses nicht geschwärzt oder freigegeben sei und möglicherweise von Ex-SREL-Leuten geliefert wurde. Dieses Vorgehen könne gegen Art. 16 des Luxemburger Geheimdienstgesetzes verstoßen, der Geheimnisverrat unter Strafe stelle. Der Strafverteidiger lehnte die Preisgabe seiner Quellen ab. Das Geheimdienstgsetz könne nicht über dem Recht auf Verteidigung stehen. Das Gericht will zu dieser Frage bis Donnerstag entscheiden. Vogel kündigte bereits das Ausreizen des Rechtswegs an.

Keinen Ertrag lieferte ein Vergleich von DNA-Proben des Zeugen Andreas Kramer mit jenen, die auf Erpresserbriefen sicher gestellt wurden. Ein Kontakt der Papiere mit Kramer senior konnte damit nicht verifiziert werden. Nach Recherchen von Behörden und Presse wird der Zeuge von seiner Familie als Hochstapler dargestellt, dessen Angaben über die angeblichen Aktivitäten seines Vaters in mehrfacher Hinsicht widerlegbar seien. Auch soll der offenbar profilneurotische Zeuge sich sogar selbst als BND-Agent ausgegeben haben, sowohl gegenüber Behörden als auch bei von ihm bemühter Kontaktaufnahme mit ausländischen Geheimdiensten. In diesem Fall hätte Kramer eine falsche eidesstattliche Versicherung abgegeben und vor Gericht unter Eid falsch ausgesagt. Inzwischen wurden auch Zweifel an einem Hochschulabschluss des vorgeblichen Historikers bekannt, der für das Archiv des Bundestags gearbeitet haben will. Bereits Kramers Zeugenaussage wirkte wenig vertrauenserweckend.

Korrektur: Das geheime Treffen war für 1987 geplant, nicht, wie in einer früheren Version dieses Textes angegeben, für 1980.