Aufruf der Kampfradler

Der zur Diffamierung gebrauchte Begriff wird nun positiv als "Widerstand" gewendet, um gegen die Dominanz des Autoverkehrs zu protestieren und eine Gleichberechtigung einzufordern

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Seit längerer Zeit schwirrt der Begriff der Kampfradler herum, um rüpelhafte Radfahrer zu bezeichnen, die sich nicht an die Regeln halten. Auch Bundesverkehrsminister Ramsauer (CSU) gefällt der Begriff, um schärfere Kontrollen der Radfahrer zu begründen. Man hat den Eindruck, dass man aufgrund der schnell zunehmenden Zahl der Radfahrer, die oft keinen ausreichenden und sicheren Platz auf den Straßen finden, das Problem durch Strafen, Kontrolle und Verbote lösen will, um nicht die Dominanz der Autofahrer in den nach den alten Ideologien autogerecht gebauten Städten einschränken zu müssen. Auffällig ist auch, dass nicht von Kampfautofahrern oder Kampffußgängern gesprochen wird. Regelverletzungen, Unachtsamkeiten und Rüpeleien gibt es hier mindestens ebenso viele.

Radfahrer haben nun einen Aufruf gestartet und sich selbst als verfemte "Kampfradler" geoutet. " Ja! Wir sind tatsächlich Kampfradler_innen. Wir verstoßen gegen die Regeln." Radfahrer hätten es nicht leicht - bei rüpelhaften Autofahrern und schlechten Fahrradwegen. Und tatsächlich ärgert man sich als Radler oft über die nur für Autos oder Fußgänger ausgelegte Situation:

"Fahrräder werden trotz gegenteiliger Lippenbekenntnisse in der Verkehrsplanung noch immer nachranging behandelt. Viele Ampeln sind sehr fahrradfeindlich geschaltet – mit Wartephasen, die keinem Auto zugemutet würden. An großen Kreuzungen ist es die Regel, dass Fußgänger_innen und Radfahrer_innen an drei verschiedenen Ampeln warten müssen, damit die Autos in alle Richtungen abbiegen können. Warum ist es nicht umgekehrt? Deshalb halten wir uns auch nur ungefähr an solche Ampelschaltungen. Verkehrplaner_innen die von uns verlangen, dass wir uns an solche Regeln halten, wünschen wir, dass sie 365 Tage im Jahr bei jedem Wetter an diesen Ampeln versauern, so wie sie es von uns verlangen."

Viele Widrigkeiten oder Benachteiligungen der Radfahrer werden aufgelistet, die Verkehrspolitik stecke noch in den Zeiten, als es noch kaum Radler gegeben habe: "Fahrradfreundliche Verkehrspolitik führt oftmals zur "Beschneidung" des Autoverkehrs und gilt somit als wirtschaftsschädlich. Zudem herrscht bei Autofahrer_innen viel zu oft noch das Prinzip "Freie Fahrt für freie Bürger". Dies stellt eindeutig eine Kriegserklärung an alle dar, die dabei stören – also insbesondere an Fahrradfahrer_innen."

Gefordert wird, dass alle Verkehrsteilnehmer gleich viel Raum haben, dass die Ampelschaltungen angeglichen werden, dass Fahrradfahrer gleichberechtigte Verkehrsteilnehmer sein sollen. Solange dies nicht der Fall ist und Radfahrer nur als "Randerscheinung" wahrgenommen werden, wollen diejenigen, die sich dem Aufruf anschließen, zivilen Widerstand leisten und sich nicht den "stinkenden Autos und LKWs unterordnen", also Kampfradler bleiben.