Griechenland-Debatte würgt Portugal und Spanien ab

Die Börse in Lissabon stürzt weiter ab und Spanien treibt auf den Rettungsschirm zu

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Die Börse in Lissabon kennt seit dem Wahlsieg der portugiesischen Konservativen nur eine Richtung. Seit dem 5. Juni geht der PSI-Index in den Keller. Bis zum Sieg des Christdemokraten Pedro Passos Coelho stand er noch über 7.600 Punkten. Nun hat der PSI am Freitag die psychologisch bedeutsame Grenze von 7.000 Punkten durchbrochen.

Die Börse hatte die Konservativen schon in der ersten Woche frostig empfangen, als der Index unter die Marke von 7300 Punkten fiel. Der Kurssturz nahm weiter Fahrt auf, als Coelho einen noch drastischeren Sparkurs als den angekündigt hat, den die Troika aus Europäischer Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) dem Land verordnete, damit die Nothilfe über 78 Milliarden Euro aus dem temporären Rettungsschirm (EFSF) fließen kann.

Auch die schnelle Vereidigung der Regierung am Mittwoch, deren Ministerpräsident nun ein Manager und Wirtschaftswissenschaftler ist, hat die Finanzmärkte nicht beruhigt. Man muss schon bis in den Juni 2010 zurückgehen, um so schwache Kurse wie am Freitag zu sehen. Niemand will nun mehr ausschließen, dass der PSI auf das Vorjahrestief von 6624 Punkten absackt. Vermutet wird, dass Coelho mit seinem Kurs auch Portugal auf den griechischen Weg schickt und in den Abgrund spart.

Denn immer härter zu sparen, macht jedes Wachstum zunichte, denn schon die sozialistischen Vorgänger hatten das Land in die Rezession zurückgespart. Steigende Schulden lassen zudem immer mehr Geld in den Schuldendienst fließen. Die Nervosität, nachdem eine Entscheidung über die Griechenland-Nothilfe auf Juli vertagt wurde, treibt zudem die Zinsen für Staatsanleihen auf neue Rekorde. Sogar Papiere mit Laufzeiten von zwei und drei Jahren werden schon für 14% gehandelt. Vergangenen Woche waren es noch 11%.

Auch sogenannte Kreditausfallversicherungen (CDS) verteuern sich weiter. Um den Ausfall von zehnjährigen Anleihen für 10 Millionen Euro abzusichern, müssen nun schon 825.000 Euro jährlich bezahlt werden. Der weltgrößte Händler mit Staatsanleihen geht davon aus, dass wohl nach Griechenland auch Portugal und Irland nicht mehr an einem Schuldenschnitt vorbeikommen, wenn keine wachstumsorientierte Politik betrieben wird. Denn auch nach Ansicht von Pimco lassen sich mit immer neuen Krediten die Probleme der Pleitestaaten nicht lösen, wie sie auf dem EU-Gipfel nun für Griechenland beschlossen wurden.

Dramatisch wird auch die Lage für Spanien. Die Nervosität wegen der möglichen Griechenland-Pleite treibt die Zinsen für spanische Anleihen weiter hoch. Das Land musste erstmals mehr als 6% Zinsen für seine Staatsanleihen bieten. Zehnjährige Anleihen hatten mit fast 290 Basispunkten über der Bundesanleihe schon ein Jahreshoch erreicht. Nun hat sich der Zinsunterschied (Spread) am Freitag in Richtung Allzeithoch hochgeschraubt, das im November 2010 erreicht worden war. Nimmt die Nervosität weiter zu, wozu auf dem EU-Gipfel alles getan wurde, wird die Zinslast schnell über die Schwelle von 7% steigen. Das bedeutete den Absturz Spaniens, wie aus Griechenland, Irland und Portugal bekannt ist. Schon jetzt ist das Land auf der Stufe, auf der sich Portugal im März befand. Nur drei Wochen später musste Portugal unter den Rettungsschirm abtauchen.

Der Absturz ist mit einer solchen Politik kaum aufzuhalten und das gilt besonders, wenn die Clowns noch länger im Griechenland-Zirkus umhertollen. Mit dem Absturz Spaniens kommt aber der European Financial Stability Facility (EFSF) an seine Grenzen, wie der Rettungsschirm offiziell genannt wird, obwohl er mit Blick auf Spanien gerade ausgeweitet wird, um sogar die volle Rettungssumme von 750 Milliarden auszahlen zu können. Es ist ein Spiel mit dem Feuer, nicht endlich die Umschuldung Griechenlands anzugehen. Der Versuch, sich teuer über eine zweite Nothilfe mit 120 Milliarden Euro Zeit zu erkaufen, wird nicht am Schuldenschnitt vorbeiführen und das Problem nur vergrößern und ausweiten.

Dass man sich auch noch von einer schwachen griechischen Regierung abhängig macht, die möglicherweise über neue Sparauflagen, über den Widerstand der Bevölkerung oder über einen Militärputsch stürzt, ist nicht mehr nachvollziehbar. Im Notfall müsste die EU ohnehin viele Milliarden auf Griechenland herabregnen lassen, um einen Flächenbrand zu löschen, den die Panik vor einer ungeordneten Insolvenz nach dem Vorbild der US-Investmentbank Lehman Brothers auslösen würde. Denn sonst würde wohl auch der Schuldenmeister Italien in den Abgrund gezogen. Die zwei Billionen, die Italien schon an Staatschulden angehäuft hat, sind nicht mehr über Rettungsschirme zu schultern. Der Euro, wie wir ihn heute kennen, wäre damit Geschichte.

Deshalb müsste man eigentlich über die Äußerung von Bundeskanzlerin Angela Merkel zum Ende des Gipfels lachen. "Wir werden aus der Krise die richtigen Lehren ziehen", sagte sie zum Abschluss. Die Gipfelbeschlüsse, sich über 120 Milliarden Euro teuer neue Zeit zu erkaufen, versprechen genau das Gegenteil. "Wir haben verabredet, dass es ein neues Programm für Griechenland geben wird", bestätigte Merkel. Der Euro wird damit nicht stabilisiert, wie Merkel vorgibt. Auf die Frage nach den Konsequenzen einer Ablehnung des Pakets durch die griechischen Abgeordneten sagte Merkel, darüber gebe sie "keine Spekulationen" ab. Darüber muss man auch nicht spekulieren, denn in der Sackgasse führt an den Zahlungen ohnehin kein Weg vorbei.