Blockupy - Erfolg oder Niederlage?

Mehr als 25.000 Menschen sollen heute in der Frankfurter Innenstadt nach Veranstalterangaben gegen die Politik der EU-Troika demonstriert haben

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Das Spektrum der Demonstranten reichte von Gewerkschaften, der Linkspartei, Attac bis den außerparlamentarischen Bündnissen Ums Ganze und der Interventionistischen Linke. Große Blöcke aus Italien und Frankreich machten deutlich, dass die Kritik an der aktuellen EU-Politik im europäischen Maßstab wächst.

Aus aktuellem Anlass wanden sich viele Parolen auch gegen eine autoritäre Staats- und Sicherheitspolitik, wie sie in den letzten Tagen in Frankfurt auf den Straßen zu erleben war. Die flächendeckenden Protestverbote, das Anhalten von Bussen und die Aufenthaltsverbote für viele Aktivisten in den letzten Tagen in der Frankfurter Innenstadt haben die Diskussion über den Abbau der Grundrechte parallel zur wirtschaftlichen und sozialen Krise wieder belebt. Tatsächlich hat nur die Polizei das Bankenviertel blockiert. "Ihr habt Euch selbst blockiert", lautete denn auch eine häufig gerufene Parole auf der Demonstration.

Doch das geht am Kern der Vorgänge der letzten Tage vorbei. Die Belagerung des Bankenviertels legte das Bankengeschäft keineswegs lahm. Facebook konnte genauso problemlos an die Börse gehen, wie auch Kredite vergeben wurden. Was die Polizei in den letzten Tagen lahmgelegt hat, war vielmehr der Protest gegen den Krisenkapitalismus. Wenn die Protestorganisatoren in einer Presseerklärung trotzig behaupten: "Die Blockupy-Aktionstage mit der Besetzung des Paulsplatz und des Römerbergs sowie die heutige Demonstration zeigen: Wir lassen nicht zu, dass Frankfurt zur demokratiefreien Zone wird. Empörung lässt sich nicht verbieten", dann ist das vor allem Zweckoptimismus. Die vergangenen Tage haben vielmehr gezeigt, dass alle Proteste, die über eine Großdemonstration hinausgehen, effektiv behindert wurden. Die Frankfurter Polizei erklärte gestern, die Bürger seien größtenteils zufrieden. Es herrsche nun das Gefühl, "dass alles nicht so schlimm sei". Das könnte auch erklären, warum die massiven Grundrechtseinschränkungen der letzten Tage ohne große Proteste hingenommen wurde.

Die Zahl der Aktivisten war am Donnerstag und Freitag kleiner als erwartet. Damit zusammenhängt, dass es erkennbar schwierig ist, die Krisenproteste mit aktuellen sozialen Kämpfen zu verbinden. So ist in den letzten Wochen wieder viel von einer Schließung des Opelwerks in Bochum die Rede. Dort gibt es eine kämpferische Minderheit in der Belegschaft, die schon vor Jahren mit selbstorganisierten Streiks auf sich aufmerksam gemacht hat. Trotzdem war die drohende Schließung von Opel-Bochum auf der Demonstration genauso wenig ein Thema wie die Abwicklung vieler Schlecker- Filialen in den letzten Wochen. Dabei hat die Berliner Schlecker-Gesamtbetriebsrätin Mona Frias einen gewerkschaftlichen Unterstützungsaufruf für Blockupy mit unterzeichnet.

Zwischen Krisenpolitik und Krisenwahrnehmungen

Doch es sind weder in erster Linie abschreckende Maßnahmen der Polizei noch große Fehler der Protestorganisatoren, die verhindern, dass Opel- oder Schlecker-Beschäftigte sich massenhaft an den Blockupy-Protesten beteiligen. Die Ungleichzeitigkeit der Krisenpolitik und der Wahrnehmung bei den Betroffenen erschwert einen gemeinsamen Widerstand. Diese Entkoppelung stellt für die Linken ein großes Problem dar, "das keineswegs mit bloßen Appellen und weltweiten Aufrufen bewältigt werden kann", schreiben die Sozialwissenschaftler Peter Birke (http://www.assoziation-a.de/autoren/Birke_Peter.htm ) und Max Henninger (http://www.assoziation-a.de/autoren/Henninger_Max.htm ) in dem von ihnen kürzlich im Verlag Assoziation A herausgegebenen Buch mit dem Titel Krisen Proteste. Dort sind 12 Aufsätze dokumentiert, die größtenteils auf der Onlineplattform Sozial.Geschichte.online veröffentlicht wurden. Hier werden seit 2009 die sozialen Bewegungen der Gegenwart analysiert.

Die Beiträge aus Italien, Griechenland, den USA, Tunesien und China zeichnen sich durch eine analytische Schärfe auf, wie man sie heute selten liest. So zeigt Kirstin Carls auf, wie die technokratische Monti-Regierung in den letzten Monaten Einschnitte in die Arbeits-, und Sozialgesetzgebung umgesetzt hat, die die Berlusconi-Regierung nach heftigem Widerstand noch zurückgezogen hatte. Peter Birke zeigt am Beispiel der Besetzung des Hamburger Gängeviertels auf, dass eine "Recht auf Stadt"-Bewegung, die nicht auch die soziale Frage thematisiert, schnell in die Gefahr der staatlichen Vereinnahmung gerät. Für eine Auswertung der Blockupy-Aktionen und die Perspektive weiterer Krisenproteste kann das Buch wichtige Impulse liefern.