Briefbombe explodiert bei der schweizerischen Atomlobby

Die Täter sind noch unbekannt, Grüne und Greenpeace verurteilen den Anschlag

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Auch in der Schweiz wird seit Fukushima wieder lauter über den Ausstieg aus der Atomenergie diskutiert. Da ab 2020 die ersten der fünf AKWs abgeschaltet werden müssen, bestand der Plan der Energiekonzerne, als Ersatz drei neue AKWs zu bauen. Fast 40 Prozent des Stroms stammt aus den AKWs.

Die Regierung hat bereits die Genehmigungsverfahren für die neuen AKWs erst einmal eingefroren. Das Bundesamt für Energie (BFE) will wurde von der Regierung beauftragt, in ihre Szenarien auch einen vorzeitigen Ausstieg aus der Kernkraft einzuarbeiten. Bisher sollte nur die Optionen erwogen werden, den bestehenden Energiemix mit dem Bau von neuen AKWs weiterzuführen oder nach Auslaufen der Betriebszeiten keinen Ersatz zu bauen. Neben dem umstrittenen Bau neuer AKWs läuft in der Schweiz gerade der Prozess der Standortsuche für Endlager, was ebenfalls zu Protesten führen wird. Bis 2015/2016 sollen je zwei Standorte für ein Lager mit schwach- und mittelradioaktive sowie für hochradioaktive Abfälle vorgeschlagen werden.

Ob der heutige Anschlag mit einer Briefbombe auf ein Büro der Schweizer Atom-Lobby swissnuclear in Olten, bei dem zwei Frauen verletzt wurden, damit in Zusammenhang steht, ist noch unbekannt. Bislang gibt es keine Hinweise auf die Täter, auch kein Bekennerschreiben. Swissnuclear ist die Fachgruppe Kernenergie der swisselectric, dem Verbund der Stromkonzerne und "setzt sich ein für den sicheren und wirtschaftlichen Betrieb der Kernkraftwerke in der Schweiz" ein, also für den Ausbau von dieser.

Einer Umfrage nach dem Unglück in Fukushima gemäß, lehnt eine große Mehrheit der Schweizer die Atomenergie ab. 73,9 Prozent wollen keine neuen AKWs, 77 Prozent wollen aus der Atomenergie aussteigen, 10 Prozent sofort. Nur 20 Prozent sprechen sich für den Bau neuer AKWs aus. 34 Prozent wollen, dass die alten Meiler zumindest vorübergehend abgeschaltet werden sollen, 28 Prozent sind für sofortige und dauerhafte Abschaltung. Die Atomlobby stößt zumindest derzeit auf Ablehnung.

Der Briefanschlag oder andere militante Aktionen könnten diese Stimmung aber wieder kippen lassen. Kein Wunder, dass Greenpeace, die eine Aktion gegen den Bau eines neuen AKW in Niederamt vor dem Hauptsitz des Stromkonzerns Alpiq ebenfalls in Olten durchführte, diese nach Bekanntwerden des Anschlags unterbrach und diesen verurteilte: "Gewaltfreiheit ist das oberste Prinzip bei Greenpeace. Wir bringen mit kreativen, hartnäckigen, aufwühlenden, aber niemals gewaltsamen Aktivitäten Probleme ins öffentliche Bewusstsein, konfrontieren Akteure."

Auch die Schweizer Grünen, die mit einer Volksinitiative erreichen wollen, dass bis 2024 der Atomausstieg realisiert wird, distanzieren sich von dem Anschlag und hoffen, dass die Täter schnell gefunden werden: "Solche anonymen Angriffe sind höchst feige und verachtenswert und haben absolut nichts mit der Anti-AKW-Bewegung in der Schweiz und in anderen Ländern zu tun. Diese zeichnet sich gerade durch ihren friedlichen Charakter aus."

Alpiq erhöhte nach dem Anschlag die Sicherheitsmaßnahmen, die Polizei forderte Politiker, die für Atomenergie eintreten, sicherheitshalber zu erhöhter Vorsicht auf.