300 bis 500 Euro pro Zitat aus der Welt oder der Bild-Zeitung

Der Axel-Springer-Verlag hat eine neue Einnahmequelle entdeckt

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Gestern erhielt der Münchener Journalist Claus Vester, der unter anderem die Kinderbuchwebsite Erlebnis Lesen betreibt, ein Schreiben des Axel-Springer-Verlages, in dem er aufgefordert wird, wegen der Verwendung eines 397 Zeichen langen Zitats aus einer Rezension des Kinderbuchs Skogland 500 Euro zu zahlen. Vester hatte das Zitat allerdings nicht direkt der Springer-Publikation entnommen, sondern der Website des Oetinger-Verlages, der damit das Buch [http://www.oetinger.de/buecher/kinderbuecher/ab-11-jahren/details/pressestimmen/3-7891-3159-8/8732/////Skogland.html?tx_fsvsgbooks_pi1[DT]=REZ&cHash=003c1b3211 bewirbt].

Weil Vester selbst einmal gegen die Verwendung längerer Passagen aus seinen Texten gerichtlich gegen die Firma Symicron vorging, aber damit scheiterte, denkt er nach eigenen Angaben nicht daran, der automatisiert erstellt wirkenden Forderung nachzukommen und fragt sich stattdessen, wie man im vorliegenden Fall wohl die Schöpfungshöhe und andere rechtlich relevante Umstände geprüft hat. Beim Axel-Springer-Verlag teilt man Telepolis auf Nachfrage mit, dass Vester keine anwaltliche Abmahnung, sondern lediglich ein Anschreiben mit einer Lizenzforderung erhalten habe. Die Höhe solch einer Lizenzforderung richte sich nicht nach der Länge des Zitats, sondern nach der Dauer der Verwendung: 300 Euro für bis zu 12 Monate, 400 Euro für bis zu 36 und 500 Euro für alles darüber hinaus.

Dazu, auf welche Weise die mit der Geltendmachung solcher Forderungen beauftragte Infopool-Abteilung des Verlags die Zitate ermittelt, will man bei Springer keine Auskunft geben. Eine Mitarbeiterin gibt zwar freimütig zu, keine Juristin zu sein, verweigert aber Auskünfte darüber, wie geprüft wird, ob ein Zitat rechtmäßig oder unrechtmäßig verwendet wurde. Auch zum konkreten Fall, bei dem das mittlerweile gelöschte 397 Zeichen lange Zitat aus der Welt-Rezension in einen Text mit 671 Zeichen Buchbeschreibung, 912 Zeichen Autorenbeschreibung und 2366 Zeichen weitere Zitate eingebetteten Text verwendet wurde, will man keine Auskünfte geben, da man derzeit mit dem deswegen angeschriebenen Journalisten "in Verhandlung" stehe. So bleibt das Rätsel, warum zwar er, aber nicht der Buchverlag oder die Buchautorin Kirsten Boie, die das Zitat auf ihrer Website ebenfalls verwendet, mit einer Geldforderung bedacht wurden.