Was ist "wahre Arbeit"?

Der französische Staatspräsident liefert eine Definition

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Die Frage, wer richtig ehrlich arbeitet, taucht zu vielen Gelegenheiten auf, im gemeinschaftlichen Haushalt, in der Auseinandersetzung mit Kollegen, mit Tischgästen, Verwandten, mit Internetprovidern, mit Handwerkern am Bau, die am morgen die lauteste Arbeit verrichten, um anderen, weniger Fleißigeren in ihren Augen, ihre Anstrengung vorzuführen, in der Literatur, etwa bei Hemingway, in Foren, wenn es um Banker, Vorstandsmitglieder, Boni und Gratifikationen geht, bei der Arbeitsagentur, in Arbeitsstatistiken und in der Politik.

Der französische Präsident Sarkozy, der seit Sonntagabend daran arbeitet, Stimmen bei nationalistisch gesinnten Traditionalisten zu sammeln, die sich von Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt, die Sarkozy selbst befördert, abgehängt fühlen, liefert nun eine Definition der "wahren Arbeit":

"Die wahre Arbeit, die wird von dem getan, der sein ganzes Leben aufgebaut hat, ohne von jemand anderem etwas zu verlangen, der früh am Morgen aufgestanden ist und sich spät schlafen gelegt hat, der auf kein Schulterklopfen aus ist, auf kein Ehrenzeichen, auf nichts."

Es geht Sarkozy, wie einst hierzulande Westerwelle um Leistungsbereitschaft, die ehrliche Häute von "Sozialschmarotzern" unterscheidet. Die "wahre Arbeit" verrichten diejenigen, welche sagen können, "ich habe das ganze Leben gearbeitet, ich habe meine Beitragsleistungen bezahlt, meine Steuern, ich habe nicht betrogen und im Moment des Todes will ich alles, was ich aufgebaut habe meinen Kindern hinterlassen, ohne dass der Staat kommen kann und sich dessen bedienen."

Geschickt spielt Sarkozy am Ende des Zitats gegen sozialistische Konzeptionen darauf an, dass der Staat sich in Resultate und Belange der "wahren Arbeit" nicht zu sehr einmischen soll. Das Motiv führt er fort:

"Die wahre Arbeit, das ist diejenige, die der Konkurrenz ausgesetzt ist, das bedeutet, dass der, der nicht zur Arbeit geht, nichts haben wird (...) die wahre Arbeit, das ist diejenige, die nicht vor allen Krisen geschützt ist."

Unter Sarkozy ist die Arbeitslosigkeit in Frankreich auf zehn Prozent gestiegen, frankreich-fuenf-jahre-sarkozy-die-bilanz-des-scheiterns/70025350.html: "so hoch wie seit zwölf Jahren nicht". Sein Wahlversprechen bei der letzten Präsidentschaftswahl lautete, dass er die Arbeitslosenquote auf unter 5 Prozent drücken wolle, ansonsten habe er "versagt". Eine Allmachtsfantasie. Wie auch seine Vorstellung von der "wahren Arbeit" eine Retro-Fantasie ist, die charakteristische Phänomene des gegenwärtigen Arbeitsmarkts ignoriert.

Die Absicht ist klar, Sarkozy nähert sich nun Wählern Marine Le Pens an, um Stimmen zu fangen. Vermutlich werden die über diese Anbiederung eher verstimmt sein, das Manöver ist allzu durchsichtig.

Le Pen selbst visiert, sollten die Einschätzungen, die in gestern in einigen Medienberichten wiedergegeben wurden, stimmen, Größeres an, eine neue französische Rechte mit ihr als neuer Leitfigur.