Noch ein AKW weniger

Litauer stimmen in Referendum gegen AKW-Neubau

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Gestern haben die Litauer nicht nur ein neues Parlament gewählt, sondern auch über die Frage abgestimmt, ob sich das Land ein neues 1.300 MW Atomkraftwerk in Visaginas als Ersatz für das abgeschaltete AKW Ignalina anschaffen soll. Begründet wurden die Baupläne damit, dass so die Energieabhängigkeit von Russland beendet werden könnte. Denn bisher ist der hauptsächliche Energieträger Erdgas aus Russland, dazu kommt, dass Litauen 60% seines Stroms importieren muss. Und während in Deutschland bereits über eine dritte und vierte Röhre für die Nord-Stream-Pipeline nachgedacht wird, um immer mehr russisches Erdgas einzukaufen, ist in Litauen Unabhängigkeit von Russland bei der Energieversorgung auch eine Frage der jungen politschen Unabhängigkeit und Befreiung von der ehemaligen Kolonialmacht.

Bei der Wahl gestern wurde die bisherige Regierung abgewählt und bekam nur noch 10% der Stimmen - Folge ihrer radikalen Sparpolitik: Von den 3 Mio. Litauern sind im Land offiziell 17 Prozent arbeitslos und 200.000 mussten als Arbeitsmigranten nach Großbritannien und Irland gehen. Verbunden mit der Wahl war auch das Quorum zum AKW-Bau, zwei Drittel der Wähler stimmten gegen den Bau, damit wurden bisherige Umfragen bestätigt. Schon im Mai lehnten zwei Drittel der Bürger das Projekt ab. Zwar ist das Ergebnis der Volksbefragung nur "konsultativ", also nicht bindend, aber die Wahlgewinner von gestern, die Arbeitspartei und die Sozialdemokraten, lehnen ein neues AKW ebenfalls ab. Es bestehen also gute Chancen, dass der Wille der Mehrheit der Wähler umgesetzt und kein neues AKW gebaut wird.

Die litauischen Konservativen versuchten, den AKW-Neubau immer wieder als Möglichkeit darzustellen, mit dem Verkauf von Strom vor allem an Polen Gewinne zu machen. Erdgas sei dagegen problematisch wegen der "volatilen Gaslieferungen", sprich den politischen Auseinandersetzungen mit Russland und der Angst vor Erpressbarkeit. Der grüne Direktkandidat Linas Balsys forderte dagegen, dass, um Energiesicherheit zu erreichen, diversifiziert und dezentralisiert werden müsse. Energiesicherheit bedeute nicht, die gesamte Stromversorgung von einem einzigen Großkraftwerk abhängig zu machen, sondern dezentrale Kraftwerke zu errichten, falle von diesen eines aus, würden immer noch die anderen die Stromversorgung sichern. Ganz im Gegensatz zu den wenig innovativen AKW-Plänen, die im übrigen so groß seien, dass die aus dem AKW zu erwartenden Strommenge von 10 TWh pro Jahr quasi 100% des litauischen Strombedarfs ausmache - und damit auch eine 100%ige Abhängigkeit von nur einem einzigen Kraftwerk bedeutet hätte.