Alles okay mit "gezielten Tötungen"?

Erosion der Menschenrechte und des Rechtsstaats

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US-Präsident Obama hat mit der Ermordung von Osama bin Laden zweifellos in den USA gepunktet. Nun ist er in die Fußstapfen von Bush gestiegen und hat sich als entschiedener Kriegsfürst erwiesen, der, auch wenn er als Friedensnobelpreisträger auserkoren wurde, über das Recht hinwegsetzt und Rache legitimiert.

Ganz offensichtlich war es nicht das Ziel der Operation, Bin Laden zu fangen, er sollte getötet werden, was man gerne als "gezielte Tötung" bezeichnet, aber korrekt eigentlich als geplante Ermordung gelten muss. Das setzt einen rechtsfreien Raum voraus, den die US-Regierung in Pakistan gewährleistet sieht, wie dies auch die zahllosen Angriffe und Tötungen mit Drohnen belegen. Offiziell gibt es kaum kritische Stimmen, auch die deutsche Regierung macht deutlich, dass sie gezielte Tötungen billigt, also die Ermordung von Verdächtigen, ohne dass deren Schuld gerichtsfest bewiesen wird. Gefeiert wird das "Elite"-Killerkommando der Marine-Spezialeinheiten, der Navy Seals.

Die Reaktionen sollten eigentlich Erschauern auslösen, stattdessen feiert man die Wild-West-Mentalität, nach Gutdünken vermeintlich Verdächtige im wilden Ausland umbringen zu dürfen. Dem lebendigen Osama bin Laden die Verantwortung für die Anschläge vom 11.9. nachzuweisen, wäre nicht nur schwierig gewesen, ein Prozess hätte al-Qaida natürlich gestärkt und Bin Laden erst recht zum Märtyrer gemacht.

Dessen von vorneherein beabsichtigte Tötung und die Entsorgung der Leiche im Meer werden allerdings nicht gerade zum Ruhm der vom Westen angeblich verteidigten Freiheit, Demokratie und Rechtsordnung beitragen. Das riskierte Obama offenbar, um innenpolitisch Akzente zu setzen und ziemlich sinnfrei zu erklären, dass die Welt ohne Bin Laden sicherer sei. Obama hätte wirklich punkten können, wenn er nicht unbeweisbar Bin Laden entsorgt, sondern diesen vor den Internationalen Gerichtshof gebracht hätte. Den Menschenrechten und dem Völkerrecht hat Obama keinen guten Dienst erwiesen.