Bayern in Berlin verloren

Die Piratenpartei sucht nach Ursachen für ihr katastrophales Ergebnis bei der gestrigen Landtagswahl

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Im April 2012 stand die Piratenpartei in einer Umfrage zur Landtagswahl in Bayern bei 8 Prozent. Gestern erreichte sie nicht einmal ein Viertel davon: Mit 1,98 Prozent blieb sie im vorläufigen amtlichen Endergebnis nicht nur deutlich unterhalb der eigenen Erwartungen, sondern landete sogar hinter der Bayernpartei und der ÖDP, die 2,09 beziehungsweise 2,02 Prozent schafften. Im Bayerischen Rundfunk beklagten sich Vertreter der Partei darüber hinaus auch, dass die CSU trotz der Nepotismusaffäre massive Zugewinne verbuchen konnte. Ministerpräsident Horst Seehofer hatte seinen Fraktionschef Georg Schmid jedoch sofort in die Wüste geschickt, nachdem bekannt geworden war, dass dieser seine Ehefrau als Angestellte beschäftigt hatte – während die Berliner Piratenfraktion den Abgeordneten Oliver Höfinghoff, der zugeben musste, seine Lebensgefährtin bis zum 31. Mai formal legal aus der Steuerkasse bezahlt zu haben, am 11. Juni mit einer Zweidrittelmehrheit zum neuen Fraktionsvorsitzenden wählte.

Da fragten sich auch in anderen Bundesländern manche Wähler, wer sich wohl hinter den weithin unbekannten Kandidaten auf den Listen verbirgt – und ob Figuren, die immer wieder für Negativschlagzeilen sorgen, vielleicht doch keine lautstarke Minderheit, sondern die Mehrheit in der Partei sein könnten. Und bevor er Extremisten aus der Gender- und der Autonomenszene wählt, entschied sich der Bürger im Zweifelsfall für das, was er vielleicht nicht unbedingt mag, aber kennt. Hinzu kam, dass die alte Piratenforderung, dem Volk deutlich mehr direkte Mitbestimmung zu gewähren, zunehmend durch ein Vollprogramm ersetzt wurde, das in mehreren Politikfeldern Position enthält, die kaum mehrheitsfähig sind.

Das Ergebnis der Landtagswahlen in Bayern und seine naheliegenden Ursachen deuten darauf hin, dass die Piraten möglicherweise auch bei der Bundestagswahl nächste Woche nicht besonders gut abschneiden. Ihr Teilerbe könnte die Alternative für Deutschland (AfD) werden, die (ebenso wie früher die Piraten) mit mehr Direkter Demokratie für sich wirbt. In einem Fünf-Punkte-Plan für ein digitales Deutschland fordert die Internet-Unternehmerin Michaela Merz für die Partei darüber hinaus als Konsequenz aus der NSA-Affäre den Umstieg aller deutschen Behörden auf Open-Source-Software. Der Liquid-Democracy-Miterfinder Christian Jacken wechselte bereits im Mai von den Piraten zur AfD und trommelt nun dort für seine Ideen. Allerdings gibt es auch in dieser Gruppierung Elemente, die eine eigene Agenda verfolgen: Parteisprecher Konrad Adam beispielsweise möchte die Steuerlast für Haushalte ohne Kinder deutlich erhöhen und der ARD-Filmemacher //www.epd.de/medien/medien_index_14958.html: Günter Ederer gilt als Verfechter einer radikalen Privatisierung von Bereichen der Daseinsvorsorge, die eine deutliche Mehrheit der Bevölkerung unter öffentlicher Kontrolle belassen möchte.