Anti-Charlotte-Roche

Die Ex-Lassie-Singers-Sängerin Christiane Rösinger beweist mit ihrem Buch "Das schöne Leben", dass es auch denkende Frauen gibt

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Christiane Rösinger ist bisher weniger als Autorin bekannt, denn als Gründerin, Texterin und Sängerin der Lassie Singers. "Diese Damen waren nichts weniger als der griechische Chor der neunziger Jahre" schrieb Richard Oehmann 1998 und übertrieb damit kein bisschen. Die Lassie Singers steigerten sich von Album zu Album und lösten sich nach "Hotel Hotel" schließlich auf. Nachfolgeband wurde "Britta" – musikalisch teilweise noch besser, aber offenbar auch noch weniger erfolgreich. Indiz dafür ist in jedem Fall, dass es außer ein paar unbrauchbaren Handycam-Lifeaufnahmen kaum Material auf YouTube gibt.

Nun erschien das erste Buch von Christiane Rösinger, "Das schöne Leben". Es orientiert sich in Titel wie Cover am letzten Britta-Album und ist eine Art Entwicklungsroman der eigenen Person. Schon in ihren Zeitungsartikeln war Christiane Rösinger häufig dann am besten, wenn sie autobiographisch wurde. Selten etwa wurde die Misere des deutschen Bildungssystems eindringlicher geschildert als in ihrem Text "Eintritt in eine andere Welt" und auch ihre Abrechnung mit den Grünen gehört zum Besten, was jemals in der taz erschien. "Das schöne Leben" bewegt sich zwischen Momentbeobachtungen wie im Britta-Stück "DJ Holzbank" und Grimmelshausens Simplicissimus. Wie dieser gerät auch Rösinger vom Bauernhof in fremde Welten wie die der Bildung, der Bohème und der Berliner, kann aber grade durch diese kulturelle Grundentfernung mit einem daraus resultierenden quasi-ethnologischem Blick Absonderlichkeiten und Widersprüche besser analysieren als jene, die in sie hineingeboren wurden.

Rösingers Buch hat (auch wenn sie, weil es vermeintlich so schön zu passen scheint, gerne in einem Atemzug mit ihnen genannt wird) absolut nichts mit der Welle der "schreibenden" Vivamoderatorinnen zu tun, dafür aber sehr viel mit jenen neopicarischen Autoren, die derzeit (ebenso irrtümlicherweise) als "Männerliteratur" vermarktet werden: Auch bei ihr geht es (neben wirtschaftlichen Widrigkeiten) um die Seltsamkeiten der seriellen Monogamie und ihrer Gesetze, denen sie häufig staunend und ratlos gegenübersteht. Ein bisschen wie in Seinfeld, nur mit einem trocken-traurigeren Humor. Bei einem "Lesepublikum", das Charlotte Roches "Feuchtgebiete" zum Beststeller machte, dürfte das Buch kaum ein Erfolg werden.

Christiane Rösinger: "Das schöne Leben". Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt/M, 8,95 Euro. ISBN: 978-3-596-17595-6