Reichstagsbrand wird Marke

Provokante Branntwein-Marke verstößt nicht gegen die guten Sitten

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Das Bundespatentgericht hat einem Spirituosenhersteller Recht gegeben, dem das Deutsche Patent- und Markenamt die Eintragung der beantragten Wortmarke „Reichstagsbrand“ verwehrt hatte. Die Eintragung einer Marke kann nach § 8 Abs. 2 Nr. 5 MarkenG abgelehnt werden, wenn diese gegen „die guten Sitten verstößt“.

Die Behörde hatte es als unerträglich und sarkastisch angesehen, dass man sich künftig mit einer markenrechtlich geschützten Spirituose „Berliner Reichstagsbrand“ zuprosten könne. Der verletzende, unerträglich sarkastische Hintergrund der Marke ergebe sich für den angesprochenen Durchschnittsverbraucher aus der Kombination der beanspruchten Waren, deren Genuss im Allgemeinen zu einer ausgelassenen, enthemmenden Wirkung führe, und dem Namen des geschichtlichen Ereignisses, welches die Nationalsozialisten zum Anlass genommen hätten, den demokratischen Rechtsstaat zu beseitigen.

Das Bundespatentgericht jedoch ließ sich davon überzeugen, dass es sich bei der Marke „Reichstagsbrand“ für einen Branntwein um ein provokatives Wortspiel handelt, das von den Verbrauchern erkannt werde. Über den Reichstagsbrand als solchen hinausgehende Kenntnisse der Deutschen Geschichte, die den kausalen oder temporären Bezug des Brandes zum Erlass der Notverordnung, deren Inhalt oder die Urheberschaft der Brandstiftung betreffen, ließen sich dem Gericht zufolge beim angesprochenen Verkehr zumindest nicht als im Moment der Wahrnehmung eines Kennzeichens für „Spirituosen“ abrufbares, präsentes Wissen voraussetzen. Eine Verhöhnung der Opfer des Nationalsozialismus sah das Gericht auch deshalb als nicht gegeben an, weil sich das NS-Regime nie die Urheberschaft des Reichstagsbrands selbst zugeschrieben hätte.

Ob das letztgenannte Argument wirklich tragfähig ist, dürfte im Auge des Betrachters liegen, denn wenn man den Reichstagsbrand den Nazis zuschreibt, so lag das Ableugnen nun einmal in der Natur der Sache. Die Formulierung des Gerichts ist zumindest diplomatischer, als die Argumentation des Spirituosenherstellers, der den Reichstagsbrand sogar als Ausdruck von Widerstand gegen die Nazis sah.