Rente mit 75?

Der schwedische Ministerpräsident Reinfeldt erregt mit einem radikalen Vorstoß Aufsehen

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Mit 75 kann man noch eine ganze Zeit als Papst berufstätig sein, auch als Kritikerpapst, oder vielleicht als Gärtner im Bundeskanzleramtsgarten, erwiesenermaßen als Staatsoberhaupt in Großbritannien oder als Kongressabgeordenter und Präsidentschaftskandidat in den USA aktiv sein. Die Frage ist, ob die Wirtschaft in ausreichender Zahl Posten zur Verfügung stellen kann, um das Rentenalter generell auf 75 Jahre anzuheben.

Der Vorschlag - „Jobba till 75“ - stammt vom schwedischen Ministerpräsidenten Fredrik Reinfeldt. Er kam nicht sonderlich gut an: In einer Umfrage sprachen sich 73 Prozent der Schweden dagegen aus.

Laut der schwedischen Tageszeitung Aftonbladet äußerte Reinfeldt, dass die "geistige Landkarte" in der Rentenfrage neu gezeichnet werden müsse, wenn es darum geht, Wohlstand zu erhalten (siehe dazu auch den Wirtschafts-Blogger egghat Das Sozialsystem in Schweden ist sicherlich vorbildlich). Reinfeldt sagte:

"The pensions scheme isn’t based on magic. It is a welfare ambition based on large-scale re-distribution and citizens’ own work. If people think that we can live longer and shorten our work life, then pensions will get lower."

Der Frage, was etwa eine Krankenschwester machen sollte, die mit 60 nicht mehr arbeiten kann, entgegnet er damit, dass man die Berufslaufbahn, für die man sich meist in jungen Jahren entschieden habe, später neu überdenken sollte: Ob es möglich sei, sie zu ändern. Man könnte vielleicht den Job wechseln, wenn er nach 20 oder 30 Jahren zu stressig wird - statt aus dem Berufsleben auszusteigen.

Ältere Arbeitnehmer sollten nicht mit 30-Jährigen um den gleichen Job wetteifern, sondern Arbeiten suchen, die ihrer Erfahrung entsprechen, "beispielsweise administrative Aufgaben übernehmen und andere unterstützen", wird Reinfeldt wiedergegeben. Er glaubt demnach, dass Arbeitgeber 55-Jährigen aufgeschlossener gegenüberstehen würden, "wenn diese noch 20 Jahre arbeiten wollten".

Belege dafür, dass dem tatsächlich so wäre, konnte Reinfeldt dafür allerdings nicht vorlegen. Stehen jedoch für Ältere keine solchen Verwaltungsjobs in genügender Anzahl zur Verfügung, dann ist eine derartige Erhöhung des Renteneintrittsalters – wie Kritiker immer wieder anmerken – lediglich ein Euphemismus für eine faktische Rentenkürzung. Auch die wäre ein mögliches Mittel, um auf eine höhere Lebenserwartung zu reagieren. Würde man offen über sie sprechen, dann müsste freilich darüber nachgedacht werden, ob man sie in einer Weise durchführt, dass nur bei "Luxusrenten" gekürzt und bei niedrigen eher aufgestockt wird.