Spanische "Empörte" bereiten Generalstreik vor

Mit neuen Protesten soll in Erwartung harter Einschnitte seitens der neuen Regierung Druck aufgebaut werden

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Die spanischen Indignados (Empörte) bereiten sich nun auf einen Generalstreik vor. Das wurde auf einer Versammlung am Sonntag in der Hauptstadt Madrid beschlossen. Zuvor waren Hunderte aus den verschiedenen Stadtteilen ins Zentrum gezogen, um dort vor dem Parlament gegen die Sparpolitik der Regierung zu protestieren. Aufgerufen zu dem Sternmarsch hatte eine der vielen Arbeitsgruppen, in die sich Bewegung strukturiert, die seit Mai mit vielen Protesten eine "wahre Demokratie" fordert und die harte Sparpolitik angreift. "Marschieren wir gemeinsam gegen die Krise und das Kapital zum Generalstreik", lautete das Motto, mit dem die Vorbereitungen auf einen nun aktiv in die Öffentlichkeit getragen werden.

Damit soll Druck auf die Konservativen gemacht werden, welche die Wahlen am 20. November gewonnen haben. Angesichts des ungerechten Wahlsystems erreichten sie mit 45 Prozent der Stimmen sogar eine komfortable absolute Mehrheit, weil die bisher regierenden Sozialisten (PSOE) abgestürzt sind. Dabei erinnert Raphael Flores Sánchez vor dem Parlament daran, dass die Volkspartei (PP) real sogar nur von 30 Prozent der Spanier gewählt wurde. Er kommt aus dem Madrider Stadtteil Vallecas und arbeitet seit langem in der Streikgruppe mit und war mit einer der sechs Marschsäulen zum Parlament gezogen. Er forderte von der Regierung eine Politik für die einfache Bevölkerung und nicht eine für große Unternehmen und Banken, "wie es die Merkel will", spielt er auf die deutsche Bundeskanzlerin an.

Als nächste Schritte planen die Empörten, sich auch verstärkt an den Protesten und Streiks gegen Einschnitte ins Bildungs und Gesundheitssystem zu beteiligen. Auch hier soll unter den einfachen Gewerkschaftsmitgliedern für die Generalstreikidee geworben werden. Denn anders als die kleinen Gewerkschaften sind die großen Arbeiterkommissionen (CCOO) und die Arbeiterunion (UGT) derzeit nicht zu einem solchen Schritt bereit. Einen Termin für den Streik gibt es deshalb noch nicht. "Der wird erst kommen, wenn er erfolgreich sein kann", sagte Lorenzo Higueras.

Er glaubt, auch Spanien werde wie Griechenland, Irland und Portugal bald Nothilfe vom europäischen Rettungsfonds (EFSF) beantragen muss. Wenn die Troika aus EU, Internationaler Währungsfonds (IWF) und Europäischer Zentralbank (EZB) dann in Spanien interveniere und wie in Griechenland und Portugal noch massivere Sparprogramme durchziehe, könnte es der Tropfen sein, der das Fass zum Überlaufen bringt und auch die Basis der großen Gewerkschaften zum Streik treibt. Higueras arbeitet in der Arbeitsgruppe, die sich mit "kurzfristiger Politik" beschäftigt.

Dazu gehört, das Überwintern der Bewegung zu meistern, denn auch die Nächte sind in Spanien zum Teil schon empfindlich kalt. Plätze zu besetzen, um über die Strategien und Proteste zu debattieren, sei nun keine Option. "Wir überwintern in den selbstorganisierten Zentren und werden neue Gebäude besetzen", erklärt Higueras und verweist auf das "Hotel Madrid". Am zentralen Platz in der Hauptstadt, haben die Aktivisten am 15. Oktober das Hotel besetzt, als am internationalen Aktionstag im Land Millionen gegen die Sparpolitik auf die Straße gingen.

Das Hotel ist aus verschiedenen Gründen besonders bedeutsam. Es befindet in der Carretas Straße, die direkt zum Platz "Puerta del Sol" führt. Auf diesem Platz wurde die Bewegung am 15. Mai geboren, als sich die Empörten nach Protesten vor den Kommunal und Regionalwahlen nicht wieder einzeln nach Hause zurückziehen wollten und auf dem "Sol" blieben. "Es ist wunderbar, was wir in sechs Monaten erreicht haben", meint Lorenzo. Denn anders als in den Jahren zuvor, gäbe es nun in Madrid und vielen anderen Städten Netzwerke. Man arbeite an vielen verschiedenen Stellen und biete auch konkrete Lösungen für existenzielle Probleme.

So wurde auf der Versammlung nach der Besetzung des Hotels entschieden, es denen zur Verfügung zu stellen, die aus ihren Wohnungen geräumt wurden, weil sie wegen Arbeitslosigkeit ihren Kredit nicht mehr bezahlen konnten ( Fotoreportage zum Hotel und seinen Bewohnern) "In Madrid werden täglich 300 Wohnungen geräumt, das ist sehr brutal", sagt Lorenzo. Man tue das, was eigentlich die Aufgabe des Staates wäre, der aber versage. Er empört sich darüber, dass auch mit Steuermilliarden gerettete Banken die Familien auf die Straße werfen lassen.

Im Hotel dienen untere Stockwerke für Versammlungen und der Rest ist Wohnraum. Weil es längst voll ist, wurde schon ein weiteres Wohngebäude besetzt, das aber gleichfalls schon voll ist. Die Belegung verwaltet die Plattform der Hypothekenbetroffenen (PAH), mit der die Empörten gemeinsam auch immer wieder Räumungen verhindern. Die Besetzungen haben sich längst im Land ausgebreitet. Auch in der katalanischen Metropole Barcelona wurden schon Gebäude für obdachlose Familien besetzt, in Sevilla eine leerstehende Markthalle und in Leon ein ehemaliges Landwirtschaftslabor.

Daneben tragen spanische Empörte ihren Protest in weitere Länder. Nach dem langen Marsch von Madrid nach Brüssel, marschieren zwei Gruppen durch Italien, nachdem sich die Ausgangsgruppe in Genua in zwei Gruppen aufgeteilt hat. Sie war nach dem G-20-Gipfel in Nizza gestartet und alle Kolonnen sollen am 15. Januar in Rom sein, um den nächsten internationaler Aktionstag zu begehen. Von dort aus wollen sich die Marschierer auf den langen Weg nach Athen machen.