Schwedens Parlament billigt mit großer Mehrheit Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung

In Deutschland wächst der Druck, Kanzlerin Merkel fordert Eile, nachdem die EU-Kommission die Umsetzung der Richtlinie innerhalb von vier Wochen verlangt hat

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Die EU-Kommission drängt Berlin, endlich die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung umzusetzen, obgleich in Brüssel selbst über eine Veränderung nachgedacht wird. Das erste Gesetz wurde vom Bundesverfassungsgericht gekippt, bislang hat sich die Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberg (FDP) gegen den Druck aus der Union und der SPD gestemmt und nur angeboten, dass auf Verdacht Daten eingefroren werden können.

Bei manchen Liberalen ist der Verdacht aufgekommen, dass Bundesinnenminister Friedrich (CSU), der massiv auf die Vorratsdatenspeicherung dringt, oder andere Unionsmitglieder die EU-Kommission auf die Spur gesetzt haben könnten. Das wird aber von Wolfgang Bosbach, dem innenpolitischer Sprecher der CDU, zurückgewiesen. Wenn Deutschland nun nicht in den nächsten vier Wochen die Richtlinie umsetzt, droht ein blauer Brief aus Brüssel. In der FDP will man deswegen aber nicht gleich klein beigeben, sondern erst einmal abwarten. Schließlich müsste dann erst ein Verfahren vor dem Europäischen Gericht eingeleitet werden - und das dauert.

Leutheusser-Schnarrenberger will nun erneut ihren Vorschlag des Quick-Freeze-Verfahrens dem Kabinett vorlegen, dürfte aber wenig Chancen haben, ihn durchzusetzen. Jetzt hat sich auch Bundeskanzlerin Merkel eingeschaltet und eine rasche Einigung von Justiz- und Innenministerium gefordert. Das sagte ihr Sprecher Steffen Seibert gestern.

Gestern aber hat nun auch das schwedische Parlament das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung, das dort ebenfalls Jahre lang umstritten war, mit großer Mehrheit gebilligt. Gegenstimmen gab es nur 41. Es wird am 1. Mai in Kraft treten, die Provider müssen die Daten sechs Monate lange speichern.

Die schwedischen Grünen und Linken lehnten ebenso wie die Piratenpartei das Gesetz weiterhin ab. Anna Troberg, die Vorsitzende der Piratenpartei, erklärte, die Befürworter der Maßnahme hätten die "Achtung für den Menschen und seine fundamentalen Rechte verloren", letztlich sei die Vorratsdatenspeicherung mit einer demokratischen Gesellschaft "inkompatibel". Zudem würde dadurch das Verhalten der Menschen verändert. Sie würden vermeiden, Psychologen zu besuchen oder zu Ereignissen wie Schwulenfestivals zu gehen. Der Mitte-Rechts-Regierung standen aber die Sozialdemokraten bei, die wie in Deutschland auch in Schweden für die Vorratsdatenspeicherung eintreten.

Schwedische Provider wie Bahnhof wollen aber für ihre Kunden die Vorratsdatenspeicherung umgehen. Jon Karlung, der Chef von Bahnhof, sagte, dass man bis zum Herbst ein System schaffen wolle, dass allen Kunden dieselbe IP-Adresse zuweist, damit online Anonymyität gewahrt wird.

Und Neil Weidstam vom schwedischen IT-Verband meinte, dass es Schweden weitaus billiger käme, die von der EU kommenden Strafen zu zahlen, als die Richtlinie umzusetzen. Das werde mindestens zehnmal teurer. Zahlen müssten dies die Internet-, Handy- und Telefonnutzer. Kritik kommt selbst von der Polizei. Klas Friberg, der Chef der Rikskriminalpolise, geht gar davon aus, dass die Vorratsdatenspeicherung "unsere Möglichkeit, schwere Kriminalität zu bekämpfen, erschweren wird".