Deutschlands freudlose Arbeitnehmer

Arbeitsstress und zu wenig Lob vom Chef lassen die Arbeitszufriedenheit sinken und die Krankenstände steigen

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Im alljährlich erscheinenden und nun veröffentlichten Fehlzeiten-Report der AOK, wird nicht nur die Zahl der Krankheitstage nach Berufsgruppen, Erkrankung und Dauer erfasst. Im Mittelpunkt des diesjährigen Berichts stand auch die Fragestellung, wie es um die Führungsfähigkeiten deutscher Chefs und den daraus resultierenden Auswirkungen auf die Gesundheit der Mitarbeiter bestellt ist. Dazu wurden in 147 Unternehmen insgesamt über 28.000 Mitarbeiter befragt.

Folgt man den dabei gewonnenen Erkenntnissen, wird eines deutlich: Mitarbeiter, die von ihren Führungskräften gut informiert werden und Anerkennung erfahren, haben weniger gesundheitliche Beschwerden und identifizieren sich häufiger mit dem Unternehmen, was sich durchaus positiv auf den Unternehmenserfolg auswirken kann.

Eine neue Erkenntnis ist das nicht. Doch wie gestaltet sich die Realisierung im Unternehmensalltag? Oft wird hier in den Betrieben scheinbar völlig konträr verfahren. So gaben 54,5 Prozent der befragten Mitarbeiter an, nur selten oder nie Lob von ihrem Vorgesetzten zu erhalten. 41,5 Prozent sagten aus, dass ihre Meinung vom Vorgesetzten bei wichtigen Entscheidungen nicht beachtet würde. "Selbst kleine Selbstverständlichkeiten, wie ein Lob bei guter Leistung, erhalten mehr als die Hälfte der Mitarbeiter nicht von ihrem Chef", so Helmut Schröder, Mitglied der Geschäftsführung des Wissenschaftlichen Instituts der AOK und Mitautor der Studie. Und das hat möglicherweise Auswirkungen. Im Vergleich zu 1994 hat sich die Zahl der Krankschreibungen aus psychischen Gründen mehr als verdoppelt.

Aus dieser Perspektive mag es kaum verwundern, dass vielen Deutschen die Lust auf die Arbeit vergeht, wie auch eine kürzlich veröffentlichte Studie des Instituts Arbeit und Qualifikation an der Universität Duisburg-Essen zeigt. Die Deutschen arbeiten zwar immer noch viel, aber mit immer weniger Freude. Einem langjährigen Trend folgend, der bereits Mitte der 1980er Jahre begann, wird die Arbeitszufriedenheit in Deutschland immer geringer. Noch hinter Polen und Estland liegen die Deutschen im europäischen Vergleich in punkto Zufriedenheit am Arbeitsplatz. Mit einem Wert von 6,8 wird aktuell gerade mal Platz 18 erreicht und damit eine deutlich unterdurchschnittliche Arbeitszufriedenheit konstatiert. Die höchste Arbeitszufriedenheit in Europa gibt es in Dänemark (7,8), gefolgt von der Schweiz (7,7) und Finnland (7,6).

Auch hier sind die Ursachen bekannt. Erhöhung der Arbeitsproduktivität, zunehmender Stress, der auch in Freizeit und Familie weitergetragen wird, und die immer stärker werdende Verunsicherung der Arbeitnehmer durch Diskussionen um Standortverlagerungen, Beschäftigungsabbau und unsichere Arbeitsverhältnisse. Ein gefährlicher Mix, der nicht nur die Gesundheit der einzelnen Mitarbeiter bedroht, sondern auch den Unternehmenserfolg negativ beeinträchtigen kann.