Fall Mollath: Generalstaatsanwalt soll gegenüber Rechtsausschuss gelogen haben

Grüne und Freie Wähler sprechen von Befangenheit

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Der Nürnberger Generalstaatsanwalt Hasso Nerlich steht unter Druck: Als "absolut inakzeptabel" bezeichnen es die Parteien Die Grünen und Freie Wähler in einer gestern veröffentlichten Presseerklärung, dass Nerlich den Wiederaufnahmeantrag im Verfahren Gustl Mollath überprüfen soll. Mit klaren Worten äußert sich der Fraktionschef der Grünen in Bayern, Martin Runge, der sagte, Nerlich habe sich bisher durch eine "erschreckende Einseitigkeit zu Lasten von Gustl Mollath" bemerkbar gemacht.

Die Parteien weisen in der Presseerklärung daraufhin, dass Nerlich offensichtlich Mollath als "wirren Charakter" darstelle, sie werfen dem Generalstaatsanwalt darüber hinaus vor, nach Mollaths Anzeigen und Hinweisen zu Schwarzgeldverschiebungen und Steuerhinterziehungen nicht gehandelt zu haben und kritisieren, dass er dies bis heute für richtig erkläre. Gleichzeitig werfen die Parteien Nerlich und dem Chef des Landesamts für Steuern, Roland Jüpner, vor, gegenüber dem Rechtsausschuss "offenbar die Unwahrheit" erklärt zu haben.

In den vergangenen Tagen hat die Süddeutsche Zeitung auf zwei Aktenvermerke hingewiesen, wonach bereits im Februar 2004 ein Mitarbeiter des Finanzamt Nürnberg-Süd einen Vermerk erstellt hatte, worauf stand: "M.= Spinner". Die Süddeutsche Zeitung berichtete, dass der Vermerk auf eine Intervention des Richters vom Nürnberger Landgericht, Otto Brixner, zustande kam. Brixner ist der Richter, der später das entscheidende Urteil im Fall Gustl Mollath fällte.

Bereits am Freitag hat die Süddeutsche Zeitung von einem Vermerk eines Steuerfahnders berichtet, wonach es sich bei Mollath um einen Querulanten handele. In dem Vermerk, heißt es, wie Telepolis erfahren hat:

"In seiner Anzeige beschuldigt Mollath seine Frau zusammen mit anderen Personen (Bankmitarbeiter und Bankkunden), Geldtransfers ins Ausland vorgenommen zu haben. Ebenso bringt er vor, Richter... habe ihn auf Drängen von Frau M. und anderer Personen auf seinen Geisteszustand untersuchen lassen. Bei vielen der genannten Namen handelt es sich um höherrangige Mitarbeiter der HVB und anderer Banken. Da eine Prüfung der Anzeige anhand der vorgebrachten Behauptungen nicht möglich war, wurde Kontakt mit Frau Richterin...aufgenommen. Sie konnte keine Auskunft über den Anzeiger und den Inhalt der Anzeige etc. machen und sagte zu, evtl. Ansprechpartner ausfindig zu machen. Am 11.2.04 rief Herr Richter Brixner bei... an und bestätigte diesem, dass bei Gericht ein Verfahren gegen M. vorlag, in dessen Verlauf sei die Untersuchung von M. wegen seines Geisteszustandes veranlasst worden. Das Aktenzeichen sei...Aufgrund dieser Angaben kann davon ausgegangen werden, dass die vorgebrachten Anschuldigungen zumindest zum großen Teil nicht zutreffen und ggf. nicht überprüft werden können."

Vermutet wird, dass die Aktenvermerke weitere Untersuchungen verhindert haben. Ein weiterer Steuerfahnder machte laut SZ einen handschriftlichen Vermerk, nach dem Mollath ein Querulant sei und seine Hinweise keinen Anlass für weitere Ermittlungen böten. Doch Roland Jüptner, der noch am Donnerstag vor dem Rechtsausschuss des Bayerischen Landtags sich erklärt hatte, erweckte nach der SZ den Eindruck, dass diese Vermerke gar nicht existierten. Die Süddeutsche Zeitung berichtete: "Wenn der Inhalt des Gesprächs für seine Entscheidung von Bedeutung gewesen wäre, hätte er das in einem Vermerk niedergeschrieben", hatte Jüptner nach Darstellung des Vorgesetzten gesagt. "Einen solchen Vermerk hat er nicht niedergeschrieben. Weswegen er davon ausgeht, dass das Telefonat für die Entscheidung ohne Bedeutung war." Auch Nerlich, der im Rechtsausschuss vorstellig wurde und dem die Akten im Fall Mollath vorliegen, hat die Einlassungen von Jüptner nicht richtig gestellt.