Spanien übertrifft Zypern-Zwangsabgabe deutlich

Kleinanleger werden nicht belastet, Hunderttausende Sparer müssen mit enormen Verlusten rechnen

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Dass am Montag die Aktie der großen verstaatlichten Bankia-Bank um fast 50 Prozent abgestürzt ist, lässt zahllose einfach Sparer in Spanien befürchten, dass ihr Verluste herber als erwartet ausfallen werden. Dieser erneute und bisher heftigste Absturz von Bankia auf nun fast 12 Cent ist ein Ergebnis davon, dass am Freitag die Besitzer sogenannter "Preferentes" per Dekret von der Regierung gezwungen wurden, die Anleihen in Aktien der verstaatlichten Bank zu tauschen. Der Wert pro Aktie, die in Paketen von jeweils 100 gehandelt werden, wurde auf 1,36 Cent festgelegt. Das ist fünf Prozent des Preises, für den die Aktien noch am Freitag an der Madrider Börse gehandelt wurden. 2011 war der Ausgabepreis beim Börsengang sogar 3,75 Euro.

Diese Festlegung auf ein Cent lässt viele der etwa 700.000 Besitzer sogenannter "Vorzugsanleihen" befürchten, dass es sogar bei ihren Verlusten von bis zu 61 Prozent der Ersparnisse bei den übrigen Geldinstituten nicht bleiben wird. Dass sie höher ausfallen können, wurde am Samstag klar. Mit Veröffentlichung des Dekrets der konservativen Regierung unter Mariano Rajoy wurde festgelegt, dass der "Marktpreis" für diese gefährlichen "Hybridanleihen" nicht überschritten wird.

Einen Marktwert für diese Hybridanleihen (eine Mischung aus Anleihen und Aktien) gibt es bei der Novagalicia, Catalunya Banc, Banco Gallego ohnehin nicht. Der Wert für Papiere dieser ebenfalls verstaatlichten Geldhäuser soll von einem "unabhängigen Experten" ermittelt werden, heißt es im Dekret. Zu dem dabei ermittelten Preis soll der Einlagensicherungsfonds (FDG) sie aufkaufen. Dazu müssen die Banken insgesamt weitere zwei Milliarden Euro aufbringen, weil auch die Einlagensicherung pleite ist. Das wird durch das Dekret ebenso deutlich. Der FDG ist dabei auch Auftraggeber des Experten und legt zudem den Abwicklungszeitraum fest. Für zahllose Sparer, denen oft betrügerisch solche Papiere für einen Gesamtwert von 32 Milliarden Euro aufgedrückt wurden, ist also weiter unklar, wie hoch ihre Verluste sein sollen und wann sie an einen Teil der Ersparnisse kommen.

Anders als in Zypern trifft es in Spanien einfache Sparer und auch Ersparnisse unter 100.000 Euro. Am Beispiel von Mataró, 30 Kilometer nördlich von Barcelona, wird das sehr deutlich, wo es besonders viele Geschädigte gibt. In der Kleinstadt hatte allein die Caixa Leitana 4.600 Einwohnern derlei Verträge aufgedrängt. 12 Prozent der gesamten Bevölkerung sind betroffen, weshalb die katalanische Verbraucherschutzbehörde davon ausgeht, dass Mataró zu den dramatischsten Fällen zählt.

Dort werden Ascensión Antón und ihr Mann Josep Martín wohl auch am Dienstag erneut in der Innenstadt für die Rückzahlung ihres Gelds auf die Straße gehen. Seit 13 Monaten protestieren Betroffene jeden Dienstag, Freitag und Samstag. Auch sie kauften 2009 die Anleihen, weil ihnen die Sparkasse, die sie das ganze Leben beraten hat, dazu riet. Das Geld sei wie auf dem Sparbuch zuvor "fest verzinst" und könne "in drei Tagen" abgehoben werden, capital_preferentes_entrar_arbitraje_0_114438583.html erinnert sich Ascensión an die Worte des Bankangestellten. Im Kleingedruckten stand aber bisweilen versteckt in solchen Verträgen sogar, dass das Geld erst im Jahr 3000 zurückgezahlt werden soll.

Als sie dann 2011 ihr Geld zurückhaben wollten, ging das nicht - und nun sind auch diese beiden Rentner Aktionäre von Bankia, in der auch ihre Sparkasse aufgegangen ist. Ihnen bleiben 600 Euro auf dem Sparbuch und eine monatliche Rente von 600 Euro. Professionelle Anleger sind sie nicht, denn nach Auflage der Börsenaufsicht durften diese gefährlichen Anlagen nur nach eingehender Beratung über die Risiken verkauft werden.

In Mataró wurden sie aber zu 62 Prozent Rentnern aufgedrängt, weil die in Schieflage geratene Sparkasse Geld brauchte. 70 Prozent derer, die diese Papiere kauften, verfügen nicht einmal über einen Hauptschulabschluss. 33.000 Euro wurden im Durchschnitt angelegt, oft stammte das Geld aus der Abfindung nach einer Kündigung, hat die Vereinigung Estafabanca (Bankenbetrug) ermittelt. In der Bürgerinitiative, die auch vom Bürgermeisteramt in Mataró unterstützt wird, sind Betroffene zusammengeschlossen.

Ihr Geld wollten die Geschädigten aber nie mit risikoreichen Papieren aufs Spiel setzen. Aus dem bisherigen Sparverhalten der Betroffenen gehe das hervor, meint die Anwältin Laia Manté, die Betroffene vertritt. Teilweise wurden die Verträge nicht einmal unterschrieben und sollen nur telefonisch abgeschlossen worden sein. Manchmal findet sich darauf nur ein Fingerabdruck, weil sie auch Menschen angedreht wurden, die weder schreiben noch lesen konnten. Diverse Richter haben Betroffenen schon Hoffnungen gemacht und Banken zu Rückzahlungen verpflichtet, wo Betrug offensichtlich war und es schon zu Prozessen kam.

Sogar die Regierung erkannte an, dass oft betrügerisch vorgegangen wurde. Wirtschaftsminister Luis de Guindos hatte im vergangenen Sommer eingeräumt, dass diese Anleihen niemals einfachen Sparern hätten verkauft werden dürfen. Deshalb versprach er den Betroffenen eine "besondere Berücksichtigung". Doch nun sehen sich viele praktisch enteignet. Ihnen bleibt nur ein "teurer und langer Klageweg", sagt Diego Herrera, der Sprecher der Bürgerinitiative. Vielen fehlt dafür aber wiederum das Geld, weil sie nicht an die Ersparnisse kommen.