Verwertungsrechts-Extremisten kritisieren Abmahndeckelung

Musikindustrie jammert über Anti-Abmahngesetz

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Musikindustrie-Lobbyist Dieter Gorny ist mit der nun vom Bundestag beschlossenen Deckelung der einforderbaren Abmahnkosten auf 155,30 € unzufrieden. Mit der sog. Abmahndeckelung werde die „berechtigte zivilrechtliche Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen – und damit das wesentliche Mittel der Rechtsdurchsetzung – drastisch beschnitten“. Die aktuelle Regierung habe in dieser Legislatur die Chance verpasst, den digitalen Raum mit Blick auf das „Urheberrecht“ zu gestalten und Verbrauchern eine klare Orientierung zu geben. Gewinner seien die Betreiber halbseidener Angebote im Netz, die auf Kosten anderer weiterhin profitieren. Verlierer seien neben den Kreativen nicht zuletzt all diejenigen Verbraucher, die sich bewusst legal im Internet verhalten wollten.

Gornys Lobby-Kollege Dr. Florian Drücke behauptete, bislang seien die Kritiker der Abmahnung die Antwort schuldig geblieben, wie und vor allem wer sich künftig um die Durchsetzung von Rechten oder aber die individuelle Aufklärung der Nutzer einsetzen werde, wenn seine Mitglieder das nicht mehr selbst tun. Das aktuelle Gesetz trage zu einer weiteren folgenschweren Bagatellisierung von Urheberrechtsverletzungen bei, was gerade vor dem Hintergrund der Anstrengungen, ein diversifiziertes legales Online-Angebot aufzubauen und zu etablieren, ein falsches Signal sende.

Beide Musiklobbyisten vergaßen jedoch zu erwähnen, dass vom als „Urheberrecht“ bezeichneten Verwertungsrecht in erster Linie unkreative Geschäftsleute profitieren. Die vorgeschobenen Urheber jedoch verdienen am Verwertungsgeschäft keine 5%, an Filesharingfällen deutlich weniger. Auch eine von Gony und Drücke suggerierte Notwendigkeit, Filesharing zu verfolgen, dürfte kaum bestehen, denn die Klein-Erna-hafte Annahme, Filesharing verursache einen wirtschaftlichen Schaden, ist längst durch unabhängige Studien widerlegt. Im Gegenteil geht von Filesharing für die Urheber sogar ein kostenloser Werbeeffekt aus, da hierdurch der Bekanntheitsgrad von Künstlern und ihren Werken gesteigert wird. Die Kaufkraft von Hunderttausenden von Musikfreunden dürfte jedoch durch die unverhältnismäßigen Kosten wegen massenhaften Filesharing-Abmahnungen geschwächt sein, was nun durch die Deckelung relativiert wird. Der unrealistische Traum vieler Musiker, von der Aufzeichnung ihrer Kunst zu leben, geht heute vermutlich nicht seltener in Erfüllung als vor dem Filesharing-Zeitalter. Vom Abmahnwahn der letzten Jahre profitierten neben den Datenschnüfflern in erster Linie Anwälte. Die haben nach möglichem Austrocknen dieses Marktes hoffentlich bald wieder Zeit, um vielleicht gute Musik zu machen - entsprechende Talente gibt es auch in dieser Berufsgruppe.