Homophobiker und unterdrückte Neigungen

Eine amerikanische Studie behauptet den empirischer Beweis dafür zu haben, dass manche Ablehnung gegen Homosexuelle mit einer Abwehr gegen eigene Neigungen motiviert ist

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Wie verraten sich unterbewußte Einstellungen? Ausgehend von der Beobachtung, dass in den USA mehrmals bekannte Anti-Gay-Protagonisten genau solcher sexueller Begegnungen überführt wurden, gegen die sie sich öffentlich ausgesprochen hatten, haben amerikanische Forscher versucht, mit Experimenten einen Zusammenhang nachzuweisen, demzufolge die Ablehnung der nicht-heterosexuellen Neigung auf einem Abwehrmechanismus gegenüber eigenen Neigungen gründen kann. Dazu mussten die Motivationsforscher um Richard Ryan zunächst herausfinden, wie sich die unbewusste sexuelle Orientierung zeigt.

Ihrer Studie, die aktuell im Journal of Personality and Social Psychology veröffentlicht wird, legten Ryan et al. die These zugrunde, dass eine Erziehung, die weniger auf die Autonomie des Kindes gerichtet ist und auf heterosexuelle Normen hält, dazu motivieren könnte, eigene gleichgeschlechtlich orientierte sexuelle Anziehung abzulehnen. Umgekehrt sollte sich zeigen, dass es infolge einer Erziehung, welche die Autonomie der Kinder im Auge hat, eine weniger deutliche Diskrepanz zwischen der äußerlich bekundeten sexuellen Orientierung und der unausgesprochenen gebe.

Die Forscher versuchten mit Experimenten, die auf schnelle Reaktion setzten, gewisse Kontrollfähigkeiten der Probanten auszuspielen. In mehreren Experimenten wurden beinahe 800 Stundenten Bilder und Begriffen vorgesetzt, die sie so schnell wie möglich nach Kategorien wie "heterosexuell" oder "homosexuell" einordnen sollten.

Dabei wurden vor den einzuordnenden Bildern und Begriffen 35 Millisekunden lang entweder das Wort "me" oder "others" eingeblendet. Das erste Wort beeinflusst nach theoretischen Annahmen, die Art, wie mit dem nachfolgenden Bedeutungsträgern umgegangen wird. Für die Studie galt: Wenn das Wort „me“ dem Bild/Begriff vorangegangen ist, das der eigene sexuellen Orientierung entspricht, dann wird es schneller kategorisiert – und umgekehrt langsamer, wenn Bild oder Begriff mit der eigenen Orientierung nicht übereinstimmen.

Es zeigte sich, dass über 20 Prozent der Teilnehmer, die sich selbst als strikt heterosexuell, "highly straight", bezeichneten, eine gewisse Diskrepanz aufwiesen: Sie assoziierten "me" schneller mit Begriffen und Bildern, die mit Homosexualität verbunden sind.

Für den Studienleiter, Richard Ryan, Psychologie-Professor an der Universität in Rochester, ist das ein empirischer Beweis dafür, dass mancher Kampf gegen Gruppen, die eine andere sexuelle Orientierung dokumentieren, aus einem Ablehnungsmechanismus gegen eigene Neigung motiviert sein kann. Er warnt allerdings vor überzogenen Verallgemeinerungen:

"It’s important to stress the obvious: Not all those who campaign against gay men and lesbians secretly feel same-sex attractions. But at least some who oppose homosexuality are likely to be individuals struggling against parts of themselves, having themselves been victims of oppression and lack of acceptance."